Die Lungenflechte ist eine auffällige und leicht kenntliche Blattflechte, die in Mitteleuropa auf alten Laubbäumen wächst. Die Art ist in den letzten 100 Jahren in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet stark zurückgegangen und ist heute in der Schweiz und zahlreichen weiteren Ländern Europas, Nordamerikas und Asiens gefährdet. Wir untersuchen die Naturschutzbiologie der Lungenflechte und weiterer baumbewohnender Waldflechten.
Inhalt ¶
Symbiose ¶
Flechten sind Symbiosen zwischen einem Pilz und einem photosynthetisierenden Mikroorganismus, meist einer Grünalge oder eines Cyanobakteriums. Die Lungenflechte gehört zu den Schlauchpilzen. Der Pilzpartner ist mit einer Grünalge (Dictyochloropsis reticulata) und einem Cyanobakterium (Nostoc sp.) vergesellschaftet.
Populationsgenetik ¶
Unser Team hat Symbionten-spezifische molekulare Marker entwickelt (Mikrosatelliten) und diejenigen Gensequenzen analysiert, welche die beiden Paarungs-Typen von Lobaria pulmonaria charakterisieren. Dadurch können wir anhand der Lungenflechte die folgenden Fragen für Wissenschaft und Praxis untersuchen:
- Wie wirken sich natürliche und menschliche Störungen auf die genetische Vielfalt aus?
- Über welche Distanzen breitet sich die Lungenflechte in Wäldern mit unterschiedlicher Bewirtschaftung aus?
- Welche geografischen Muster weist die Lungenflechte in Europa auf?
- Gibt es regional unterschiedliche Häufigkeiten der Paarungstypen und wird dadurch die geschlechtliche Vermehrung der Art beeinträchtigt?
Der Pilzpartner der Flechte kann sich unter bestimmten Bedingungen geschlechtlich (durch Ascosporen) vermehren. Viel häufiger ist jedoch die vegetative Vermehrung mit Ausbreitungseinheiten, welche sowohl den Pilz- wie auch den Algenpartner umfassen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ausbreitungsdistanzen abhängig von der Waldstruktur und der Waldbewirtschaftung sind. Intensive Waldbewirtschaftung führt in der Regel zum lokalen Aussterben der Lungenflechte, aber auch extensive Nutzung führt lokal zu einer reduzierten genetischen Vielfalt. In Urwäldern bleibt diese hingegen auch auf kleinem Raum auf hohem Niveau erhalten.
Phylogeografie ¶
Die weit verbreitete Lungenflechte Lobaria pulmonaria ist genetisch in mehrere genetische Gruppen gegliedert. In Mitteleuropa kommen zwei verschiedene genetische Gruppen eng miteinander verzahnt vor. Untersuchungen aus Südost-Europa haben gezeigt, das Genpool A oft an Auenwälder, Genpool B dagegen an Buchenwälder der Gebirge gebunden sind.