Für den Umbau des Schweizer Energiesystems will der Bund Berge versetzen. Also auf zum Gipfelsturm?
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Bis 2050, so die Energiestrategie des Bundes, soll die Stromproduktion aus Wasserkraft um fast 10 Prozent erhöht werden. Die Nutzung der Windkraft erfordert den Bau von über Tausend neuen Windrädern, mit Vorteil dort, wo der Wind weht: in den Alpen. Für den Ausbau der Photovoltaik eignen sich sonnige Standorte, die auch im Winter über der Nebeldecke liegen: die Berge! Und nicht zuletzt befindet sich auch viel Energieholz, das verstärkt zur Produktion von Strom, Wärme oder Treibstoffen genutzt werden könnte, in den Bergen. Als Gebirgsland verfügt die Schweiz also über beste Voraussetzungen, die Energiewende erfolgreich zu meistern. Also auf zum Gipfelsturm?
Die Energiewende hat Auswirkungen ¶
Der Umbau des Schweizer Energiesystems erfolgt nicht ohne Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft. Hier lohnt es sich, vorauszuschauen. Im Rahmen des gemeinsam mit der Eawag lancierten Forschungsprogramms Energy Change Impact untersuchen die WSL und das SLF, in welchem Mass die für die Energiewende notwendige Ressourcen wie Wasser, Sonne, Wind oder Biomasse verfügbar sein müssen und wie sich neue oder veränderte Nutzungsansprüche auswirken könnten. Exemplarisch seien hier einige Projekte kurz dargestellt.
Wie viel Wasser für die Wasserkraft? ¶
Selbst im Wasserschloss Schweiz steht Wasser nicht immer ausreichend zur Verfügung. Die Pegelstände der Speicherseen sind entscheidend dafür, wie viel Strom produziert wird. Um die künftigen Zuflüsse von Wasserkraftanlagen besser abschätzen zu können, verknüpfen Forschende im Rahmen des Swiss Competence Centers for Energy Research – Supply of Electricity (SCCER-SoE) mittel- und langfristige Wettervorhersagen mit Prognosen zur Schneeschmelze. So könnten Wasserkraftbetreiber die Stromproduktion gewinnbringend optimieren. Als Grundlage für diese Entscheidungshilfen dienen Monats- und saisonale Vorhersagen (HEPS4Power) sowie dekadische Vorhersagen, die bis zu ein Jahrzehnt umfassen. Sämtliche Modelle sind für alpine Regionen ausgelegt.
Strom und technische Beschneiung im Konflikt ¶
Nicht nur die Kraftwerke nutzen Wasser. Wasser wird in den Alpen zunehmend für die Beschneiung eingesetzt, just zu der Jahreszeit, wo auch die Pegel der Speicherseen tief liegen. Das SLF untersucht den Einsatz von Energie- und Wasserressourcen in Wintersportgebieten mit dem Ziel, im täglichen Management im Skigebiet Ressourcen zu schonen und Nutzungskonflikte zu vermeiden.
Verlandung als Zukunftsthema ¶
Ein Konflikt verschärft sich: Mit der Klimaerwärmung lockert sich ehemals festgefrorenes Gestein. Gebirgsbäche transportieren dieses zu den Stauseen, wo es zur Verlandung beiträgt. Eine neue Geschiebemessanlage der WSL an der Albula in Tiefencastel erfasst, wann und wie viel Material in den Stausee Solis gelangt. Der Betreiber kann mit diesen Messungen die Perioden der Geschiebespülungen optimieren. Ein Geschiebeumleitstollen verhindert ausserdem, dass zu viel Sediment im Stausee abgelagert wird.
Wasserkraft und der Faktor «Mensch» ¶
Wegen schwerwiegender Folgen für Biodiversität und Landschaft werden Ausbaupläne bei der Wasserkraft oft angefochten. Solche Widerstände führen zu zeitlichen Verzögerungen, die oft mit hohen Kosten verbunden sind. Forscher an der WSL untersuchen, wie der geeignete Einbezug der Öffentlichkeit die Genehmigungsverfahren für Wasserkraftanlagen entlasten oder gar beschleunigen könnte. Ergänzend beleuchten Wissenschaftler an der Eawag die Zahlungsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung, wenn es um den Erhalt von für Ökosystemleistungen im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau geht. Zudem werden die zugrundeliegenden Faktoren, die zur Akzeptanz oder Ablehnung führen, eruiert.
Berge und Energiesicherheit ¶
In den Alpen schlummern nicht nur ungenutzte Potenziale für die Stromproduktion, sondern auch Naturgefahren. Grosse Infrastrukturprojekte müssen Lawinen, Erdrutschen, Stürmen und Hochwasserereignissen trotzen. Forschende am SLF und der EPFL gehen der Frage nach, wie das zukünftige Energiesystem in der Schweiz aussehen soll. Neben Naturgefahren werden die bestehende Infrastruktur, produktionsgünstige Standorte sowie Speichermöglichkeiten berücksichtigt.