Der Arvenwald God da Tamangur, der im Zentrum dieses Berichts steht, gehört sicher zu den bekanntesten Wäldern der Schweiz. Neben der Tatsache, dass es sich dabei wohl um den höchstgelegenen geschlossenen Arvenwald Europas handelt, hat gewiss auch die landschaftliche Schönheit des ihn umgebenden Tals zu seiner Bekanntheit beigetragen. Auffallend ist, dass er nicht nur Baumliebhaber und Naturfreundinnen fasziniert, sondern im Laufe der Zeit als Symbol und Namensgeber für eine Vielzahl von politischen Initiativen und kulturellen Auseinandersetzungen diente. Im Sinn einer Waldmonografie wird in diesem Bericht einerseits die Vielfalt dieser Bedeutungszuschreibungen und Inspirationen dargestellt. Zum anderen wird die Entwicklung des Waldes selbst dokumentiert. Hinzu kommt die Nutzungsgeschichte, da der God da Tamangur während langer Zeit in seiner Entwicklung stark von den ihn umgebenden Alpen beeinflusst wurde. Diese Zielsetzung erfordert eine grosse Quellen- und Methodenvielfalt. Neben den zahlreichen Publikationen, die bereits zum God da Tamangur erschienen sind, waren dabei die Interpretation schriftlicher Quellen, die Wiederholung historischer Fotografien, Luftbildanalysen und die Auswertung einer Reihe von Interviews mit in erster Linie lokalen Gewährsleuten besonders aufschlussreich. Die jahrhundertelange Beweidung schränkte das Aufkommen junger Bäume stark ein und der God da Tamangur präsentierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als ein lockerer und lichter Wald, der vorwiegend aus sehr alten, mächtigen Arven bestand. Die Tatsache, dass abgestorbene Arven über sehr lange Zeit als sogenannte Dürrständer stehen blieben, liess manche Besucher auf einen sterbenden Bestand schliessen und liess ihn zu einer idealen Metapher für die rätoromanische Sprache werden, um deren Anerkennung in dieser Zeit gerungen wurde. Viele weitere Bedeutungszuschreibungen folgten, bis der Bestand gegen Ende des 20. Jahrhunderts als Naturwaldreservat einen Schutzstatus erhielt, der zu einer starken Einschränkung der Beweidung führte. Das Waldbild hat sich nicht zuletzt durch den Rückgang der Beweidung verändert und wird heute in weiten Teilen von kräftigem Jungwuchs geprägt. Ebenfalls unter Schutz stehen heute Teile der den God da Tamangur umgebenden Moorlandschaft von nationaler Bedeutung, die ganz wesentlich zum Reiz der Landschaft von Tamangur beiträgt. Die gesellschaftlichen Bedürfnisse und Nutzungsansprüche ändern sich. Zusätzlich wird die Walddynamik heute, und in Zukunft noch verstärkt, durch die Auswirkungen des sich ändernden Klimas beeinflusst. Mit Sicherheit werden sich Wald und Landschaft unter den Ansprüchen der heutigen Freizeitgesellschaft und den Auswirkungen des Klimawandels weiter verändern. Es ist zu hoffen, dass die berührende Schönheit und die Faszination des God da Tamangur und der ihn umgebenden Landschaft erhalten bleibt, damit sich auch zukünftige Generationen von ihnen inspirieren lassen können.
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