35‘000 Teebeutel für die Waldforschung

Wissenschaftler aus aller Welt haben Tausende von Teebeuteln vergraben, um den Prozess des Streuabbaus und folglich den Kohlenstoffkreislauf im Wald besser zu verstehen. Auch die Eidg. Forschungsanstalt WSL macht mit. Erster Trend: Die Abbaurate hängt von der chemischen Zusammensetzung der Teesorte ab.

Die Idee klingt kurios, sie ist aber durchaus ernst zu nehmende ökologische Forschung: Mit Teebeuteln von zweierlei Teesorten, wie man sie standardmässig in Lebensmittelläden kaufen kann, wollen Bodenforscher in aller Welt den Prozess des Streuabbaus im Wald besser verstehen. Der Abbau abgestorbener Pflanzenteile ist nämlich als Teil des Kohlenstoffkreislaufes eine entscheidende Grösse in Bezug auf den Klimawandel: Der in der Biomasse von Pflanzen gebundene Kohlenstoff wird bei der Zersetzung durch Bodenlebewesen wieder als Treibhausgas (CO2) in die Atmosphäre freigesetzt.

Inzwischen liegen die ersten Resultate von 336 Standorten nach drei Monaten vor: In dieser frühen Phase wird Grüntee in allen Lebensräumen deutlich schneller abgebaut als Rooibos-Tee, berichtet das internationale Forscherteam in einem Fachartikel im Journal Science of the Total Environment. Das liegt laut den Autoren einerseits daran, dass Grüntee mehr wasserlösliche Substanzen enthält und bei ihm der Kohlenstoff in anderen chemischen Verbindungen gebunden ist.

Über den kurzen Zeitraum von 3 Monaten, spielte das örtliche Klima hingegen eine untergeordnete Rolle, ausser an extrem trockenen oder nassen Standorten, berichten die Forscher, darunter auch ein Team von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Sie vermuten, dass der Klimawandel die Artenzusammensetzung der Pflanzen nicht nur direkt über Temperatur und Niederschlag, sondern auch indirekt über die artspezifischen Abbauraten die Artenzusammensetzung beeinflussen könnte. Ob das örtliche Klima auch langfristig eine untergeordnete Rolle auf den Abbauprozess spielen wird, darüber werden die Teebeutel nach 12, 24 bzw. 36 Monaten Aufschluss geben.

Tea Party für Bodenorganismen

Schon lange versuchen Ökologen, diese Abbaurate mittels exakt gewogener Streusäckchen zu bestimmen. Dabei fanden sie bereits heraus, dass der Abbauprozess in zwei Stadien stattfindet: Eine rasche und eine langsame Phase. Allerdings haben sie für ihre jeweiligen Studien Streu verschiedenster Pflanzenarten und Taschen mit unterschiedlichen Maschengrössen verwendet, was die Daten nicht universell vergleichbar macht.

Auf die Idee mit den Teebeuteln kamen ursprünglich niederländische Forscher – vielleicht während einer Teepause? Um über unterschiedliche Regionen vergleichbare Daten zu erhalten, vergruben sie zwei Sorten von Teebeuteln: die einen mit schnell abbaubarem Grüntee (der aus Blättern besteht), die anderen mit langsam abbaubaren Rooibos-Tee (gemahlene Baumrinde). Die Idee sprach sich unter Bodenforschern weltweit herum, so dass sie 2016 gemeinsam die weltweite TeaComposition-Initiative starteten.

Die Forscherinnen und Forscher vergruben auf 570 Standorten, 6 Kontinenten und in 9 Grosslebensräumen (Biomen) mindestens 32 Teebeutel pro Standort, oft doppelt so viele. Nach 3, 12, 24 und 36 Monaten graben sie jeweils 2 von jeder Sorte aus und bestimmen deren Masseverlust. «Erstmals können nun die Abbauprozesse von Streu im Boden global und mit einer einheitlichen Methode untersucht werden», sagt Marcus Schaub, Schweizer Vertreter im Europäischen Netzwerk für langfristige Ökosystemforschung (LTER Europe) und Leiter der Gruppe Ökophysiologie an der WSL.

Wichtiger Faktor im Kohlenstoffkreislauf

Die WSL-Forschenden haben ihre Teebeutel in der Schweiz auf acht Standorten der Langfristigen Waldökosystemforschung (LWF) vergraben – insgesamt 1216 Beutel auf 8 Versuchsflächen, teilweise in unterschiedlichen Höhenlagen. Die Kollegin Sonja Wipf vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF vergrub zudem Teebeutel auf sechs Berggipfeln in der Schweiz.

Nun sind sie gespannt, was die Teebeutel nach einem, zwei und drei Jahren im Boden verraten werden. Markus Didion von der WSL-Gruppe Ressourcenanalyse möchte mit Hilfe von Computermodellen den Beitrag des Streuabbaues zum Kohlenstoffkreislauf errechnen. Dank diesem standardisierten und weltweiten Versuch hofft er, seine Modelle präzisieren zu können. «Für uns ist der Teebeutel-Versuch genial, damit wir unsere Daten in einen globalen Zusammenhang stellen können.»

Zu dieser Studie beigetragen haben zahlreiche Institute im Netzwerk der TeaComposition Initiative, die von Frau Ika Djukic initiiert wurde, der Erstautorin des wissenschaftlichen Artikels. Sie war Wissenschafterin an der WSL und koordiniert als Gastwissenschafterin der WSL das Netzwerk weiterhin. Ika Djukic ist heute tätig am Umweltbundesamt in Österreich. Unter der Leitung von Marcus Schaub und in Zusammenarbeit mit Markus Didion und Flurin Sutter koordiniert die WSL auf den Flächen des Forschungsprogrammes Langfristige Waldökosystemforschung LWF die Teebeutel-Versuche in der Schweiz und führt dazu zusätzliche Experimente durch.

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