Ausbruch des Laacher See Vulkans umdatiert

30.06.2021  | WSL und Uni Mainz | News WSL  

Der Laacher See Vulkan brach 126 Jahre früher aus als bisher angenommen, vor 13'077 Jahren. Diese Neudatierung liefert entscheidende Erkenntnisse über Klimaschwankungen am Ende der letzten Eiszeit. Möglich wurde sie u.A. durch die Analyse von verkohlten Baumresten im Jahrringlabor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.

Der Ausbruch des Laacher See Vulkans in der Eifel zählt zu den größten Eruptionen, die sich während der vergangenen 100.000 Jahre in Mitteleuropa ereignet haben. Die Eruption beförderte rund 20 Kubikkilometer Asche und die Eruptionswolke reichte über 20 Kilometer in die Höhe, vergleichbar mit dem Ausbruch des Pinatubo im Jahr 1991. Technische Fortschritte und Funde von Baumresten, die im Zuge der Eruption begraben wurden, ermöglichen nun eine genaue Datierung des Ereignisses. Demnach ist der Ausbruch des Laacher See Vulkans vor 13.077 Jahren erfolgt und damit 126 Jahre früher als bisher angenommen. Dies wirft ein neues Licht auf die Klimageschichte des gesamten nordatlantischen und europäischen Raums und erfordert eine Anpassung der europäischen Klimaarchive. „Wir können damit einen Temperatursturz am Ende der letzten Kaltzeit genau datieren, sodass sich die Angaben jetzt mit denen von Bohrkernen aus dem Grönlandeis decken“, sagt Dr. Frederick Reinig, Dendrochronologe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). An dem Projekt war ein internationales Forschungsteam aus der Archäologie, Klimatologie, Ökologie, Radiokarbondatierung und Vulkanologie beteiligt. Die Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature publiziert.

Verkohlte Holzreste von Birken und Pappeln sind bis heute erhalten

Der Ausbruch des Laacher See Vulkans war eine Naturkatastrophe, die weite Teile Europas betroffen hat. Der Ascheregen gelangte bis nach Norditalien im Süden und Sankt Petersburg im Osten. In der unmittelbaren Umgebung und im benachbarten Rheintal bildeten sich bis zu 16 Meter hohe Ablagerungen aus Asche und Bims. "Während des Ausbruchs begruben pyroklastische Ströme die lokale Vegetation rund um den Laacher-See-Vulkan. Die Bäume sind in den Ascheablagerungen teilweise verkohlt und so bis heute erhalten geblieben", beschreibt Prof. Dr. Paolo Cherubini, Senior Scientist an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf, den Eruptionsprozess, der im späten Frühjahr bis zum Frühsommer stattfand und vermutlich mehrere Wochen andauerte - und der den Wissenschaftlern nun eine genaue Datierung des Ereignisses ermöglicht. "Solche hölzernen Zeitzeugen sind sehr selten, und sie sind schwer zu bergen", sagt Cherubini, Mitautor der Studie.

„Die regionalen Auswirkungen des Vulkanausbruchs sind gut erforscht. Was uns bisher gefehlt hat, ist die Sicherheit, wann genau dies passiert ist“, erklärt Prof. Dr. Ulf Büntgen, Co-Autor der Nature-Publikation von der University of Cambridge. Dies konnte nun anhand der Proben von verschütteten Birken und Pappeln ermittelt werden.

Analyse der Baumringe an WSL und ETH gibt Aufschluss über das genaue Datum der Eruption

Die vulkanischen Sedimente haben nicht nur die Holzstücke über 13.000 Jahre lang konserviert, sondern damit blieben auch die Jahrringe der Bäume erhalten. "Anhand der Baumringe können wir das Alter der Proben genau bestimmen", sagt Daniel Nievergelt von der WSL. In einer von der WSL finanzierten Initiative wurden im WSL-Baumringlabor sowohl neu entdeckte Proben als auch ältere Funde analysiert. Dazu hat das Labor für Ionenstrahlphysik der ETH Zürich 157 hochaufgelöste Radiokarbonmessungen vorgenommen. Die Kalibrierung dieser Ergebnisse gegen eine Schweizer Radiokarbonreferenz ergab dann die präzise Datierung. „Die stetigen Fortschritte bei der Radiokarbon-Messtechnik und bei der Kalibrierung sowie die sorgsame Handhabung der empfindlichen Proben waren der Schlüssel, damit wir diese Datierung mit einer Unsicherheit von weniger als zehn Jahren etablieren konnten.“, so Dr. Lukas Wacker von der ETH.  Diese Studie basiert auf einer kontinuierlichen Forschungsarbeit zwischen der WSL und der ETH, die sich auf die Spätglazialzeit konzentriert. Die einzigartige Entdeckung von gut erhaltenen subfossilen Kiefern aus dem Großraum Zürich markiert einen der weltweit größten und ältesten Funde dieser Art. In den letzten Jahren wurde in dieser Zusammenarbeit ein Schweizer Spätglazialarchiv mit bisher nicht dargestellter zeitlicher Präzision aufgebaut. Die Verbindung zur Laacher See Eruption und deren verbesserte Datierung ist nun die jüngste Anwendung dieses Bestrebens.

Neudatierung des Vulkanausbruchs hat Folgen für die europäischen Klimaarchive und großräumige Klimadynamik

Die Eruption des Laacher See Vulkans erfolgte nach der Darstellung in Nature 13.006 Jahre vor 1950, mit einer Unsicherheit von 9 Jahren. Das ist 126 Jahre früher als die bisher allgemein akzeptierte Datierung anhand von Sedimenten im Meerfelder Maar. 

Diese Differenz hat weitreichende Folgen für die europäischen Klimaarchive und die europäische Klimageschichte. Der Ascheregen, der infolge des Vulkanausbruchs über große Gebiete Mitteleuropas niederging, ist ein wichtiger Zeitmarker für Paläoumweltarchive. Aufgrund der Neudatierung müssen nun die europäischen Archive angepasst werden. Gleichzeitig wurde damit eine bislang bestehende Differenz zu den Daten der grönländischen Eisbohrkerne geschlossen. 

Dies bedeutet, dass der massive Kälteeinbruch zu Beginn der Jüngeren Dryaszeit auch in Mitteleuropa bereits 130 Jahre früher also vor ca. 12.870 Jahren erfolgt, wie es auch die Eisbohrkerne aus Grönland für den nordatlantischen Raum anzeigen. Während der Jüngeren Dryaszeit, der letzten Kaltphase vor der aktuell herrschenden Warmphase, sanken die Temperaturen um bis zu 5 Grad Celsius. „Diese starke Abkühlung vollzog sich nicht, wie bislang gedacht, zeitlich versetzt über einen längeren Zeitraum, sondern verlief über den gesamten nordatlantischen Raum und Mitteleuropa synchron.“, sagt Frederick Reinig. Die Ergebnisse des interdisziplinären Forscherteams legen damit nicht nur ein präzises Datum für den Ausbruch des Laacher See Vulkans in der Eifel fest. Das revidierte Alter der Aschesedimente und die damit verbundene Verschiebung der europäischen Klimaarchive wirft nun ein neues Licht auf die Klimageschichte des gesamten nordatlantischen und europäischen Raums. 

Quelle: Universität Mainz

Kontakt

Dr. Frederick Reinig und Prof. Dr. Jan Esper
Klimatologie, Geographisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-36083
E-Mail: reinig@geo.uni-mainz.de
 

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