Bericht zur Windkraft: Mehr Mitsprache könnte die Akzeptanz neuer Anlagen steigern

11.2.2022 | Stephanie Kusma | News WSL

Der Bau grosser Windkraftanlagen stösst oft auf Widerstände. Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft WSL haben untersucht, warum. Und sie haben Ideen entwickelt, wie man den Planungsprozess verbessern könnte, um die Akzeptanz der Anlagen zu verbessern.

Eigentlich herrscht Einigkeit: Erneuerbare Energien sind wertvoll, und wir brauchen sie. In der Energiestrategie 2050 der Schweiz spielen sie auch eine wichtige Rolle. Geht es allerdings um die konkrete Umsetzung, nämlich den Bau entsprechender Anlagen, wird es trotzdem oft schwierig. Wie kommt es zu diesem Gegensatz? «Es gibt verschiedene Theorien, die das erklären wollen», sagt Matthias Buchecker von der Gruppe Sozialwissenschaftliche Landschaftsforschung der WSL.

Grosse Windkraftanlagen können das Gesicht einer Landschaft deutlich verändern. Daher ging man lange davon aus, dass der Widerstand gegen sie auf eine Art «Reflex» zurückgeht, alles abzulehnen, was grosse Veränderungen in der eigenen Nachbarschaft verursacht. In Bezug auf erneuerbare Energie frei nach dem Motto: «Wichtig und sinnvoll, aber nicht bei mir daheim.»

Wenn das Image nicht passt

Die neuere Forschung geht allerdings davon aus, dass diese Erklärung zu kurz greift. Stattdessen ortet sie die Gründe für die Ablehnung der Anlagen in der Ortsverbundenheit der Betroffenen: Fühlt eine Person demnach eine enge Verbundenheit mit einer Landschaft oder hat sie diese mit einer persönlichen Bedeutung belegt, fällt es ihr schwer, sich starke Eingriffe in diese Landschaft vorzustellen. Zumal, wenn diese nicht zur individuell wahrgenommenen Bedeutung passen.

Stimmt diese These, eröffnet sich eine vielversprechende Perspektive: Dann liessen sich nämlich im Umkehrschluss möglicherweise Gebiete identifizieren, in denen das Image der Landschaft und jenes der Windkraftanlagen übereinstimmen. Deren Bau würde dann von der Mehrheit der Menschen, die in der Region leben, nicht abgelehnt oder womöglich gar begrüsst.

Ländlich oder städtisch?

Dies haben Buchecker, seine Doktorandin Stefanie Müller und ihre Praktikantin Martina Weber mithilfe einer Online-Umfrage in verschiedenen Gemeinden einer Region am Agglomerationsrand der Stadt Bern genauer untersucht. In einer davon war ein Windpark in Planung, die zukünftigen Standorte der Windkraftanlagen aber noch nicht fixiert. Ihre Ergebnisse haben sie in einem gerade erschienenen Bericht zusammengefasst.

Über 500 Personen gaben dabei Auskunft etwa zum Image oder den individuellen Bedeutungen der verschiedenen Landschaften und Gebiete ihrer Wohnregion: Wie sind die Gemeinden charakterisiert? Lebt man gefühlt eher ländlich oder ist der Wohnort städtisch geprägt? Wie soll sich die Region entwickeln?

Darüber hinaus fragten die Forschenden nach der Einstellung zur Energiewende und wie die Betroffenen deren planerische Umsetzung bewerten. Und nicht zuletzt trugen die Befragten kleinräumig auf Karten auf, wo die verschiedenen Bedeutungen und Nutzungsbereiche ihrer Wohnregion für sie lagen - und wohin eine Windkraftanlage passen könnte.

Gerüchte als Hemmschuh

Das Ergebnis: Nirgendwo wirklich - zumindest über alle Antworten gemittelt. «Zum Zeitpunkt der Befragung gab es bereits Gerüchte, wo die Anlage gebaut werden sollte», sagt Buchecker. Und das beeinflusste die Antworten: «Sowohl die Personen, die gegen die Anlage waren, als auch die Befürwortenden antworteten strategisch, orientiert am ihrem Wunschergebnis.»

Zwar war das vermutete Baugebiet für beide Gruppen bedeutsam, beispielsweise als Erholungsraum. Ging es aber konkret darum, seine Eignung als Standort einer Windkraftanlage zu beurteilen, gingen die Meinungen auseinander: Für die Gegner war das Gebiet unantastbar und ein Bedeutungsverlust durch die Anlage nicht hinnehmbar. Den Befürwortern dagegen war der Nutzen der Anlage wichtiger als mögliche Bedeutungsverluste und das Gebiet durchaus denkbar.

Je früher desto besser

«Wir vermuten, dass die Umfrage zu spät im Planungsprozess stattfand», erklärt Buchecker. Tatsächlich ergab die Befragung, «dass die wenigsten der Antwortenden mit ihrer Einbindung in die Planungsprozesse zufrieden waren», nennt der Forscher ein wichtiges Resultat der Untersuchung. «Die Bevölkerung möchte früher mitentscheiden.» Das erfordere allerdings ein grundlegendes Umdenken der Planungsprozesse.

Denn in der Befragung lehnten die Gegner eine Veränderung ihres Wohngebietes insgesamt ab –nicht nur den konkreten Windpark. «Sie empfanden ihre Region als ländlich und standen einer städtischen Entwicklung insgesamt kritisch gegenüber», sagt Buchecker, «und grosse Windkraftanlagen symbolisierten für sie eine solche Entwicklung.» Der Einbezug der Bevölkerung müsse daher bereits bei der Frage beginnen: Wie soll sich unsere Region grundsätzlich entwickeln – ökologisch, im Energiebereich, wirtschaftlich und landschaftlich?

Ziel müsste es sein, einen breiten und übergeordneten Konsens zu finden, in dessen Rahmen dann auch Anlagen der erneuerbaren Energie ihren Raum fänden, erklärt Buchecker.

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