Forschende von SLF und WSL untersuchen Folgen des Klimawandels auf die Biodiversität der Insektenwelt. Dafür haben sie im Rahmen eines grösseren Projekts eine Insektenfalle am Weissfluhjoch in Davos errichtet, die sie wöchentlich leeren. Mit Bildstrecke.
13. Juli, Viertel vor neun, die Gipfelstation der Parsennbahn in Davos liegt in den Wolken. Die Sicht reicht kaum fünfzig Meter weit. Drei schwer beladene Menschen machen sich mit ihren vollgestopften Rucksäcken auf den Weg bergab Richtung Versuchsfeld Weissfluhjoch. SLF-Biologin Anne Kempel hat sich zusätzlich zwei lange Holzpfosten unter den Arm geklemmt, ihr Kollege Mathieu Cretton von der WSL schleppt eine Insektenfalle und der Zivildienstleistende Mauro Vareni ein Pflockeisen, eine Art Stahlramme, um Löcher in den Boden zu machen.
Die drei wollen dort, wo im Winter Tag für Tag Forschende Schneedaten erheben, eine Insektenfalle errichten. Bei 2536 Metern über dem Meeresspiegel ist es vermutlich die höchstgelegene in der Schweiz, sicherlich die höchste des Projekts INSECT-RBA. Dabei kooperiert die WSL mit Agroscope, FiBL, info fauna (CSCF) und der Schweizerischen Vogelwarte, um an 42 Standorten Informationen über Insektenvielfalt und -häufigkeit zu sammeln. In Davos unterstützen Anne Kempel und ihr Team vom SLF diese Arbeit und leeren einmal pro Woche die Falle, immer am gleichen Wochentag, sieben Wochen lang. Das erspart ihren Kollegen von der WSL die lange Anfahrt aus Birmensdorf.
13. Juli, gegen neun Uhr, die drei Forschenden sind am Versuchsfeld angekommen. Langsam wird die Sicht besser. Kempel zeigt auf eine Erhebung. «Wenn ich Du wäre, würde ich die Falle dort aufbauen», empfiehlt sie Cretton. Dabei beweist sie ein gutes Gespür. Denn bereits in den Jahren 2000 bis 2007 hatten Wissenschafterinnen und Wissenschafter schweizweit die Biodiversität der Insekten untersucht. Diese Arbeit wiederholen die WSL und ihre Partner nun in den Jahren 2023 bis 2025 an den alten Standorten.
Auf der Erhebung stossen die Forschenden auf ein Kunststoffrohr im Boden. «Ein Teil der alten Falle aus dem Jahr 2007 ist noch da», freut sich Kempel. Noch näher geht es nicht. Und so legen die drei los, rammen Pfosten in den Boden, befestigen daran einen gelben Kunststofftrichter, bauen ein Dach über das Rohr im Boden.
Schönster Standort des Projekts ¶
Es ist die einzige Falle des Projekts, die noch nicht steht. «Wegen des rauen Klimas und der späteren Ausaperung in der Höhe haben wir sie vier Wochen später als die anderen Standorte in Betrieb genommen», erklärt Kurt Bollmann, Leiter der Forschungsgruppe Naturschutzbiologie an der WSL und verantwortlich für das Projekt. Ebenfalls eine Ausnahme: Die Forschenden bauen die Falle am Weissfluhjoch jeden Herbst komplett ab, bei den anderen bleibt das Gestell meist auch in der kalten Jahreszeit stehen.
13. Juli, gegen zehn Uhr: Nach einer knappen Stunde ist die Arbeit geschafft. Die Falle steht, fehlen nur noch die Insekten. Mittlerweile hat es aufgeklart. Cretton lässt den Blick ins Tal und über die Bergwelt schweifen: «Das ist bestimmt unser schönster Standort.»
Mehr Fakten, um Fördermassnahmen richtig einzuordnen ¶
Zudem einer, der wichtige Ergebnisse beisteuern soll. Insgesamt prognostizieren die Forschenden für das Projekt INSECT-RBA eine mehr oder weniger stabile Entwicklung bei der Artenzahl und der Menge der Insekten. «Für den hoch gelegenen Standort Weissfluhjoch erwarte ich wegen des Klimawandels jedoch eine Zunahme, sowohl bei der Menge als auch bei der Artenvielfalt», sagt Bollmann. Ihm geht es darum, mehr Fakten darüber zu sammeln, wie sich die Insektenwelt in der Schweiz verändert, um Fördermassnahmen richtig einordnen zu können. «Wir gehen nicht davon aus, dass wir es mit einem generellen Insektensterben zu tun haben, sondern mit einer Neuorganisation von Insekten-Lebensgemeinschaften mit deutlichen Gewinnern und Verlierern», erläutert er.
13. Juli, Viertel nach zehn, am Weissfluhjoch packen Kempel, Cretton und Vareni ihr Werkzeug zusammen und werfen einen letzten Blick auf ihre Falle. Dann schultern sie ihre Rucksäcke und machen sich auf den Weg zur Mittelstation, um zurück zum SLF zu gelangen.
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