27.04.2023 | Logbuch | SLF News
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Die SLF-Wissenschafter Joel Caduff-Fiddes und Yves Bühler trainierten Fachleute in drohnengestützter Schneehöhenkartierung in den kirgisischen Bergen.
Nachdem wir eine stattliche Menge an Ausrüstung gepackt hatten, darunter Skitourensets und eine eBee-X-Drohne, bestiegen wir am 29. März das Flugzeug nach Istanbul, von wo aus es nach Bischkek, der Hauptstadt Kirgisistans, weiterging. Dort holte uns unser Projektpartner Sultan Bekelov von der Kirgisischen Hydrometeorologischen Agentur (Kyrgyz Hydromet) ab und brachte uns ins Hotel, wo wir nach der 14-stündigen Reise ausschlafen konnten. Am nächsten Morgen besuchten wir den Sitz von Kyrgyz Hydromet und das Zentralasiatische Institut für angewandte Erdwissenschaften. Nachdem wir mit den Direktoren ausgiebig Tee getrunken hatten, führten wir den Mitarbeitenden die eBee-X-Drohne vor, die ursprünglich von einem Spinoff-Unternehmen der ETH Lausanne entwickelt worden war. Wir bemerkten sofort, welche Begeisterung bei ihnen der Gedanke auslöste, dieses neue Spielzeug in die Lüfte zu schicken, und wie erpicht darauf sie waren, es zusammenzubauen.
Der Trip nach Kirgisistan folgte auf eine Studienreise zur Schneebeobachtung nach Davos im vergangenen Dezember, die für kirgisische Kollegen unter der Schirmherrschaft des kürzlich gegründeten WMO-Kompetenzzentrums für Schneebeobachtung in Davos (SMCC) organisiert wurde. Während dieser Woche fanden erste Drohnenschulungen und Theoriesitzungen statt.
Unsere Reise wurde im Rahmen des Projekts CROMO-ADAPT der Schweizerischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA finanziert. Die am SLF etablierte Methode könnte helfen, im Tian-Shan-Gebirge, den «göttlichen Bergen», entlang von Höhentransekten wertvolle Messdaten zu erheben. Das Gebirge reicht von Usbekistan im Westen bis nach China im Osten und gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe. In diesem abgelegenen Gebiet gibt es heute nur noch vereinzelte Wetterstationen und In-situ-Schneemessungen. Die eBee-X-Drohne kann helfen, detailliertere und zuverlässigere Informationen zu gewinnen.
Sultan Belekov vom Kyrgyz Hydromet und Kollege beim CROMO-ADAPT-Projekt startet die Drohne! (Video: Joel Caduff-Fiddes / SLF)
Töö-Ashuu-Pass 3400 m ü.d.M. ¶
Nach einem kurzen Schlaf verliessen wir Bischkek am frühen Morgen in Richtung der kirgisischen Hydromet-Station auf dem Töö-Ashuu-Pass. Die Verbindung zwischen der Hauptstadt und der Stadt Osh im Süden ist einer der wichtigsten Verkehrswege. Aufgrund der beträchtlichen Höhe stellen Schneelawinen ein grosses Problem für die Verkehrssicherheit dar. Vom Tunnelportal bis zur Wetterstation mussten wir unser Gepäck durch eine sehr weiche Frühjahrsschneedecke tragen, so dass wir mehrmals bis zu den Hüften versanken. Glücklicherweise half uns das Stationspersonal beim Tragen der gesamten Ausrüstung.
Das Stammpersonal der Töö-Ashuu-Station misst seit der Sowjetzeit in den 1960er Jahren sorgfältig die meteorologischen Parameter einschliesslich der Schneeprofile. Nachdem wir an der Station angekommen waren, konnten wir es kaum erwarten, unsere Skier anzuschnallen und auf den Gipfel der alten, nicht mehr benutzten Passstrasse in 3600 Metern Höhe hinaufzulaufen. Es herrschten praktisch arktische Bedingungen mit starkem Wind, Nebel und Eiseskälte. Die Abfahrt zurück zur Station war «very big turn powder», d. h. wir bekamen es mit nassem Frühlingsschnee zu tun, bei dem man bis zum Boden einbricht. Am nächsten Tag führten die kirgisischen Wissenschafter unter unserer Anleitung den ersten Drohnenflug durch. Es war nicht einfach, in dieser Höhe zu starten, aber wir waren erfolgreich!
Yves bei der Abfahrt im «big turn powder» (Video: Joel Caduff-Fiddes / SLF)
Wir stellten jedoch fest, dass die Qualität des frei verfügbaren SRTM- (Shuttle Radar Topography Mission) Höhenmodells in Hochgebirgsregionen wirklich unzureichend ist und waren froh, dass die Drohne einen Bodensensor hatte, der erkannte, wenn sie zu nahe am Boden flog. Dank den erstklassigen swisstopo-Höhenmodellen, die wir in der Schweiz verwenden, war dieses Problem für uns neu und machte die Flugplanung viel anspruchsvoller. Andererseits gibt es in Kirgisistan keine Vorschriften für den Drohnenflug, was ein grosser Vorteil gegenüber der Schweiz ist.
Am nächsten Tag schwangen wir uns wieder auf die Skier und stiegen zu einem nahe gelegenen Gipfel auf 3960 m ü. M. auf, um einen von Joels Temperaturloggern der Marke «SLF» zu vergraben, die von Martin Hiller entwickelt wurden, der kürzlich in den Ruhestand gegangen ist. Nachdem wir auf perfektem Frühlingsschnee zurückgefahren waren, packten wir unser Gepäck und fuhren hinunter zum Hochplateau von Suusamyr (2300 m ü.d.M.) auf der Südseite des Passes. Dort machten wir einen Drohnenflug über vollkommen flaches, schneebedecktes Gelände. So brauchten wir keine Angst vor den schlechten SRTM-Höhenwerten zu haben. Dann kehrten wir nach Bischkek zurück und vergruben unterwegs noch ein paar «Hiller»-Logger.
Ala-Artscha-Nationalpark ¶
Der nächste Ausflug führte uns in den Ala-Artscha-Nationalpark, der nur eine Stunde südlich von Bischkek liegt. Dieses hochalpine, vergletscherte Tal, das wunderschön mit zentralasiatischem Wacholder («Artscha») bewachsen ist, ist Schauplatz zahlreicher Gletscherstudien sowie die Hauptwasserquelle für die Stadt Bischkek und die umliegenden Agrarflächen. Trotz des bevorstehenden Besuchs des kirgisischen Vizepräsidenten erhielten wir die Freigabe für die ersten Flüge im Park – die Kirgisen sind echt cool!
Das ursprüngliche Beobachtungsgebiet, das mit Hilfe von Google Earth identifiziert worden war, erwies sich als schwierig, da erneut ungenaue SRTM-Daten zum Abbruch eines Fluges führten und starker Rückenwind eine, wie Yves es formulierte, «harte» Landung verursachte! Oberflächliche Schäden an der Aussenhaut boten die Gelegenheit, unser Team in einer bei der eBee wichtigen Fertigkeit zu schulen - dem Reparieren mithilfe von Gafferband.
Wir zogen an einen geeigneteren Standort in der Nähe der Skipisten von Bischkek um, da wir hier ein grösseres Potenzial zur Schneebeobachtung vorfanden. Stress verursachte hier lediglich ein in der Höhe kreisendes Adlerpaar, das sich von unserer eBee allerdings nicht sonderlich gestört fühlte. Trotzdem war der Pilot zum Vogelausweichmanöver bereit - eine weitere wichtige Fähigkeit bei der Handhabung der eBee. Mit diesem letzten Standort konnten wir insgesamt drei gute Schneebeobachtungsstationen für Wiederholungsuntersuchungen einrichten, die ein breites Spektrum an klimatischen Bedingungen, Höhenlagen und auch Anwendungen abdecken. Wir sind überzeugt, dass unsere kirgisischen Kollegen bereit sind, Drohnenflüge alleine durchzuführen.
Das Projekt CROMO-ADAPT ¶
CROMO-ADAPT (Cryosphere Observations and Modelling for Adaptation in Central Asia) ist die jüngste Phase einer Reihe von Projekten zur Beobachtung der Kryosphäre, die seit mehr als einem Jahrzehnt laufen und von Martin Hoelzle von der Universität Freiburg geleitet werden. Bisher lag der Schwerpunkt auf der Beobachtung von Gletschern, in der jetzigen Phase wird die Überwachung auf saisonalen Schnee und Permafrost ausgeweitet, wobei das SLF als Partner hinzukommt. CROMO-ADAPT ist vor allem in Tadschikistan und Kirgisistan tätig, da dies die wasserreichsten Länder der Region sind, kooperiert aber auch mit anderen lokalen Wissenschaftern und Fachleuten. Wir arbeiten mit Wissenschaftern, Regierungsangestellten und Entscheidungsträgern im Rahmen von Studienaustausch, Sommerschulen und gemeinsamen Expeditionen zusammen. Sie alle profitieren von einer verbesserten Beobachtung der Kryosphäre. Joel leitet den SLF-Teil des Projekts und freut sich sehr, dass die so bedeutsamen Drohnenflüge von der Zusammenarbeit mit Yves und der Forschungsgruppe Alpine Fernerkundung profitieren. In der Region besteht ein enormer Handlungsbedarf im Hinblick auf Gebirgsgefahren und Wasserressourcen, insbesondere angesichts der doppelten Herausforderung durch den Klimawandel und die schnellen Veränderungen in Infrastruktur und Gesellschaft.
Joel und Yves sind davon überzeugt, dass das SLF über viele der benötigten Instrumente zur Bewältigung dieser Herausforderungen verfügt, insbesondere durch die erfolgreichen Kooperationen zwischen Forschungseinheiten, für die die kirgisische Mission ein Beispiel ist. Nach neun Tagen sehr intensiven Austauschs landeten wir müde und glücklich in Zürich, um den Zug zurück nach Davos zu nehmen. Joel wird die kirgisischen Kollegen weiterhin unterstützen, indem er im kommenden September Schneeflüge an den Beobachtungsstandorten ermöglicht. Yves wird im Juni wieder in Zentralasien, nämlich in Usbekistan sein und einen Workshop über alpine Fernerkundung organisieren, an dem auch die kirgisischen Partner teilnehmen.