Ein Wald ist mehr als Bäume: Einsatz für die Waldböden

6.12.2022 | Beate Kittl, Kommunikation | News WSL 

Ohne gesunden Boden kein gesunder Wald. Doch die Waldböden der Schweiz sind durch Umweltveränderungen belastet und bedroht. Fachleute aus Forschung und Praxis tauschten sich am «Forum für Wissen» der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL über Entwicklungen und Lösungsansätze aus.

Der Waldboden speichert im Schnitt mehr Kohlenstoff als die oberirdische Biomasse und schützt dadurch das Klima. Er ist Lebensraum für viele Organismen, liefert Trinkwasser, Holz und Nahrungsmittel, er schützt vor Hochwasser und kühlt das lokale Klima. Und er ist eine nicht-erneuerbare Ressource – deshalb bedarf er besonderen Schutzes.

Denn nur gesunde Böden können ihre Funktionen erfüllen, und das wird durch die Klimaerwärmung, zunehmende Trockenheit oder Schadstoffeinträge in Frage gestellt. «Das Bewusstsein für die aktuellen Herausforderungen für unsere Waldböden muss gefördert werden», sagte die WSL-Direktorin Beate Jessel zum Auftakt des diesjährigen Forums für Wissen, das am 25. November 2022 stattfand. Und dazu müsse man besser verstehen, welche Einflüsse menschliche Aktivitäten und der Klimawandel auf die Waldböden haben - und wie die Waldbewirtschaftung in Zukunft aussehen sollte.

Das Forum nahm diese Fragen in drei groben Bereichen unter die Lupe: Wie Böden funktionieren und was sie für Waldökosysteme bedeuten, welche Prozesse Böden und ihre Funktionen gefährden und mit welchen Mitteln man eine Bodenverschlechterung stoppen oder rückgängig machen kann. Die Einzelheiten sind im Tagungsband nachzulesen.

Funktionen von Waldböden

Wie viele wichtige Aufgaben die Waldböden für die Natur und die Menschen erfüllen, erklärte Ivano Brunner in seiner Einleitung. Die Forschung schafft die Grundlagen dafür, dass diese erhalten bleiben, zum Beispiel in Form der Wiederholung der landesweiten Bodeninventur nach 30 Jahren, die aktuell an der WSL läuft. (mehr)

Die Schweizer Wälder haben die höchsten Kohlenstoff-Gehalte aller Wälder in Europa, erläuterte Frank Hagedorn (WSL). Der Kohlenstoff droht jedoch mit zunehmender Trockenheit in die Atmosphäre zu entweichen, weil Bodenlebewesen wie Regenwürmer, die ihn in tiefere Bodenschichten ziehen, weniger aktiv sind. «Die hohen Vorräte sind eher eine Hypothek als eine Chance», ist Hagedorns Fazit. (mehr)

Schmilzt der Humus mit der Klimaerwärmung weg – und welche Folgen hat dies für die Ernährung des Waldökosystems? Diesen Fragen ging Friederike Lang (Uni Freiburg i. Br.) nach. Tatsächlich deutet eine Buchen-Studie in Deutschland und der Schweiz darauf hin, dass der Kohlenstoff-reiche Humus immer schneller abgebaut wird. Ein Problem ist dies tendenziell für Standorte, die natürlicherweise arm an Humus sind, z.B. in den Alpen. (mehr)

Was lebt überhaupt alles im Boden? Für Mikroorganismen hat dies Johanna Mayerhofer (Agroscope) anhand des schweizerischen Biodiversitätsmonitorings (BDM) untersucht. Sie hat mit Umwelt-Erbgutanalysen (eDNA) erstmals systematisch erhoben, welche Bakterien und Pilze in Wäldern, Wiesen, Weiden und Äckern vorkommen. Die Landnutzung spielte bei der Bakterienzusammensetzung die grösste Rolle, der Waldtyp bei den Pilzen. (mehr)

Beeinträchtigungen von Bodenfunktionen

Gelb und braun verfärbte Blätter schon im Juli: Das gab es in den trockenen Sommern 2015, 2018 und auch 2022. Katrin Meusburger (WSL) hat mit einem neuartigen Rechenmodell die Wasserverfügbarkeit für die Bäume in diesen Trockenjahren zurückverfolgt. Das Modell konnte die Blattverfärbung gut vorhersagen, jedenfalls besser als klimatische Daten allein. Es zeigt, dass 2015 das Wasserdefizit im Boden im Juli extremer war, 2018 aber länger andauerte. (mehr)

Etwa ein Viertel der Waldböden im Kanton Zürich sind versauert, erklärte Andreas Gubler (Kanton ZH). Das Amt für Wald hat mittlerweile den Versauerungszustand von gut 10 Prozent der Waldstandorte des Kantons kartiert. Die Karten sind für andere Fragestellungen anpassbar, sagte Gubler. «Solche Bodendaten werden beim Umgang mit dem Klimawandel wichtig werden.» (mehr)

Waldschäden durch Windwurf nehmen zu, weltweit und in Europa. Das ist besonders in Bergwäldern ein Problem, erklärte Mathias Mayer (WSL). Eine Studie von ihm und seinem Team zeigte auf, dass Bergwälder durch die Stürme Orkane Vivian und Lothar teilweise bis zu 90% des gespeicherten Kohlenstoffs verloren. (mehr)

Nach wie vor gelangt zu viel Stickstoff in die Wälder, am meisten aus Verkehr und Landwirtschaft. Wie verhindert man das? Den Humus schützen, sagt Heike Puhlmann (FVA Baden-Württemberg): «Alles, was den Humus stört, trägt auch zur Stickstoff-Auswaschung bei – Stürme, Schäden durch Bewirtschaftung, viel Licht.» Stickstoff sickert als Nitrat ins Grundwasser und trägt zur Bodenversauerung bei, erläuterte Peter Waldner (WSL). (mehr)

Den Boden schützen und pflegen

Die Nachfrage nach Energieholz steigt. Wird den Wäldern dadurch zu viel Holz und damit Nährstoff entzogen? Stephan Zimmermann (WSL) zeigte anhand zweier Standorte im Mittelland auf, dass an einem davon der Waldboden bereits einen Mangel an Kalzium aufweist. Der Grund: Für Energieholz werden die kleinen Äste verwendet, die viele Nährstoffe enthalten. «Nutzt man den ganzen Baum, nimmt man die Teile mit vielen Nährstoffen mit», sagte er. (mehr)

Kann man einzelne, besonders wertvolle Waldstandorte, die versauert sind, mit Kalk sanieren? Die sogenannte «Bodenschutz-Kalkung» testet Simon Teschs Team (IAP) derzeit in einem Pilotprojekt an drei stark versauerten Standorten im Mittelland. Nach 1,5 Jahren sind erste Veränderungen im Bodenwasser messbar. (mehr)

Nach dem Orkan Lothar räumten die Forstdienste unter grossem Zeit- und Preisdruck auf. Dabei fuhren sie mit schweren Maschinen über die Böden, die bis heute verdichtet sind. Im Kanton Aargau gab dies den Anstoss für ein Projekt zum Bodenschutz, das Andreas Freuler (Kanton AG) vorstellte. Mit GPS- und LiDAR-Daten konnte sein Team alte Fahrspuren aufspüren, kartieren und so wieder benutzen. (mehr)

Auf den Mangel an flächendeckenden Bodendaten wies Armin Keller (BFH-HAFL) hin, der Leiter des Kompetenzzentrums Boden. Ohne sie könne man die Funktionen des Bodens weder fördern noch schützen. «Daran müssen Kantone, Gemeinden, Bund und Forschung gemeinsam arbeiten», sagte er. (mehr)

In einer Diskussionsrunde wurde die Tagung zum Schluss nochmals zusammengefasst. «Die Schweiz hat relativ intakte Waldböden», urteilte Frank Hagedorn (WSL). «Aber gewisse Entwicklungen werden zunehmend zur Hypothek, etwa die Klimaerwärmung und der steigende Holzbedarf.» Nur ein gesunder Boden könne die erwünschten Leistungen erbringen, betonte Sabine Augustin (BAFU-Wald) noch einmal. Um den Bodenschutz voranzutreiben, könnten vielleicht Szenarien helfen, die aufzeigen, was passieren wird, wenn wir jetzt nicht handeln – analog zu Klimaszenarien, ergänzte Armin Keller (BFH-HAFL). Und Gudrun Schwilch (BAFU-Boden) plädierte für ein Durchhalten beim Umweltschutz: «Wir sehen derzeit, wie rasch Umweltziele angesichts des Energienotstands gekippt werden können. Da müssen wir als Bürger Verantwortung übernehmen.»

Denn, wie es Beate Jessel ausdrückte: «Die Wertschätzung für die Ressource Waldboden ist für unser Überleben auf der Erde zentral.»



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