Ein Team der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL und der ETH Zürich arbeitet daran, die bestehende 12'500 Jahre umfassende Jahrring-Chronologie dank des spektakulären Funds von 256 subfossilen* Baumstümpfen in Zürich um weitere 1'500 bis 2'000 Jahre zu verlängern. Diese absolut datierbaren Jahrringdaten werden weltweit zur Eichung von Radiokohlenstoff-Daten genutzt. Kollegen aus Neuseeland verfolgen das gleiche Ziel mit altem Holz von Kauri-Bäumen. Beide Teams trafen sich letzten Monat an der WSL.
Zwei Jahre, nachdem sie in Zürich durch Jahrring-Spezialisten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL entdeckt wurden, sorgen die Überreste des grössten jemals in Europa entdeckten spätglazialen Waldes immer noch für Spannung. In Zusammenarbeit mit Partnern von der ETH Zürich, dem GeoForschungsZentrum in Potsdam (GFZ), dem Bauamt der Stadt Zürich, der Universität Freiburg im Breisgau und der Universität Heidelberg arbeiten die WSL-Wissenschaftler nun daran, die 256 Strünke mit Hilfe der Dendrochronologie auf das Jahr genau zu datieren.
Die bislang älteste absolut datierte Jahrringchronologie, die hauptsächlich aus Eichen aus Deutschland und Kiefern aus der Schweiz besteht, reicht ungefähr 12'500 Jahre BP** zurück. Diese Chronologie ist gleichsam der "Goldstandard", der unabdingbar für eine verbesserte Präzision von Radiokohlenstoff-Daten ist, die in der archäologischen und paläoökologischen Forschung breite Anwendung finden (siehe Kasten zur Radiokohlenstoff-Methode).
Der subfossile Wald aus Zürich lässt hoffen, dass er die existierende Chronologie um zusätzliche 1'500, wenn nicht gar 2'000 Jahre zurück in das Spätglazial erweitern kann.
Weltweite Zusammenarbeit
Die wissenschaftlichen Bestrebungen an der WSL sind auf einen unerwarteten Verbündeten gestossen, der denkbar weit von Zürich entfernt ist. In Neuseeland sind alte Kauri-Bäume (Agathis australis) über die letzten 50'000 Jahre und darüber hinaus in Sümpfen erhalten geblieben. Wegen ihrer weitreichenden Altersspanne stellen subfossile Kauris eine hervorragende wissenschaftliche Ressource dar, die schon genutzt wurde, um vergangene Strömungsmuster der Ozeane sowie den regionalen und globalen Klimawandel nachzuvollziehen.
Ulf Büntgen, Leiter der Gruppe Dendroökologie an der WSL, und Jonathan Palmer von der University of New South Wales in Sydney erwarten vor allem, dass sie sowohl die Chronologie der Schweizer Föhren wie auch jene der Neuseeländischen Kauris bedeutend erweitern werden, indem sie beide Arten miteinander vergleichen. Die sich hieraus ergebenden Chronologien werden dann zu der bestehenden 12'500-Jahre-Chronologie hinzugefügt, mit dem Ziel, die Radiokohlenstoff-Daten zu verbessern.
Die Radiokohlenstoff-Datierung kommt immer dann zur Anwendung wenn eine vorläufige Altersabschätzung für organische Materialien erforderlich ist, wie beispielsweise Tonwaren, Knochen oder Papier – und altes Holz. Sobald die Jahrring-Wissenschaftler es geschafft haben, die Holzstücke auf das Jahr genau zu datieren, erweisen sie ihrerseits den Radiokohlenstoff-Experten einen Gefallen: denn Material, dessen Alter genau ermittelt wurde, ist eine wesentliche Hilfe, um die Genauigkeit der Radiokohlenstoff-Datierung zu verbessern.
Diese sogenannte Eichung von Radiokohlenstoff-Datierungen mit Hilfe von Jahrringchronologien ist eine gemeinschaftliche internationale Bemühung, die seit mehreren Jahrzehnten durch die Arbeitsgruppe IntCal koordiniert wird.
Die Ausbeutung von subfossilem Kauri-Holz
Die Zusammenarbeit zwischen den Teams in der Schweiz und Neuseeland wurde während eines Workshop besiegelt, den die WSL und die ETH im August durchführten. Zum ersten Mal diskutierten Wissenschaftler beider Disziplinen – Jahrringe und Radiokohlenstoff – miteinander über die Schwierigkeiten der Datierung alter Hölzer in beiden Hemisphären.
Ein weiteres Ergebnis des Treffens war ein Brief an Nathan Guy, den Neuseeländischen Minister für Landwirtschaft und Rohstoffe, in dem die Teilnehmer ihre Besorgnis über den Verlust subfossiler Kauri-Bäume äusserten, von denen einige bis zu 225'000 Jahre alt sind. Während man die subfossilen Strünke aus Zürich sorgsam geborgen hat und sie für künftige wissenschaftliche Untersuchungen lagert, werden ihre Gegenstücke aus Neuseeland zu Hunderten nach Asien und Europa verschifft, wo sie zu Möbeln verarbeitet werden – und für die Wissenschaft unwiederbringlich verloren sind.
Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern aus der Schweiz und Neuseeland sowie die grosse Lagerkapazität im neuen WSL-Lager in einem ehemaligen Militärbunker könnte die Gelegenheit bieten, den Kultur- und Naturschatz der alten Kauri-Wälder Neuseelands zu bewahren.
* subfossil = Organismen aus prähistorischer Zeit, die sich nicht oder nur teilweise versteinert haben. Im Unterschied zu Fossilien können diese mit der C14-Methode datiert werden. (Quelle: Wikipedia)
** BP = Before Present, bezeichnet eine Zeitskala, die in der Archäologie, der Geologie und anderen Wissenschaften benutzt wird, um Ereignisse der Vergangenheit zu datieren. Weil sich das Heute zeitlich stets verändert, wurde in internationaler Übereinkunft der 1. Januar 1950 bzw. das Kalenderjahr 1950 als Bezugszeitpunkt der Skala gewählt. (Quelle: Wikipedia)
Radiokohlenstoff-Datierung Radiokohlenstoff-Datierung (auch C14-Datierung genannt) ist ein Verfahren zur Bestimmung des Alters von organischen Materialien unter Zuhilfenahme der Eigenschaften von Radiokohlenstoff (C), ein natürlich vorkommendes radioaktives Isotop des Kohlenstoffs, das in der Atmosphäre fortlaufend gebildet wird. Eine Pflanze oder ein Tier tauschen während ihres Lebens Kohlenstoff mit ihrer Umgebung aus, so dass der Kohlenstoff, den sie enthalten, denselben Anteil von C hat wie die Atmosphäre. Sobald das Lebewesen stirbt, hört es auf, C aufzunehmen. Das zu diesem Zeitpunkt in seinem biologischen Material enthaltene C wird aber weiterhin abgebaut, so dass der Anteil von C in seinen Überresten schrittweise abnimmt. Da die Geschwindigkeit des C-Abbaus bekannt ist, kann der C-Anteil genutzt werden, um den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem ein gegebenes biologisches Muster aufgehört hat, Kohlenstoff auszutauschen. Dieses grundlegende Prinzip wird dadurch erschwert, dass das Niveau von C in der Atmosphäre im Lauf der Zeit stark geschwankt hat. Deswegen müssen Radiokohlenstoff-Daten mittels Werten anderer, altersbekannter Quellen korrigiert werden – die genauesten unter ihnen sind absolut datierte Baumringe. Dieses Korrekturverfahren ist als Radiokohlenstoff-Eichung bekannt. (Nach Wikipedia) |
Links:
Kontakte
- Dr. Lukas Wacker
ETH Zurich, Laboratory of Ion Beam Physics
Tel. +41 44 633 2358
wacker (at) phys.ethz.ch - Dr. Jonathan Palmer
University of New South Wales, Sydney
Tel. +61 2 9385 9766
j.palmer (at) unsw.edu.au