Klimawandel führt bei Bäumen weltweit zu mehr Stress

17.01.2018 |  Reinhard Lässig  |  News WSL

Wird es wärmer, verdunsten Bäume mehr Wasser. Dass sie deswegen unter Trockenstress leiden und weniger Holz produzieren, zeigt eine auf weltweiten Daten basierende Studie der Eidg. Forschungsanstalt WSL in der Fachzeitschrift Science Advances. Je weiter entfernt Bäume von Polen oder Berggipfeln wachsen, desto mehr begrenzt fehlender Niederschlag ihr Wachstum.

Aus den Jahrringen der Bäume lässt sich ablesen, wie sich Klimaschwankungen auf das Baumwachstum auswirken. Denn Bäume reagieren vor allem bei demjenigen Klimafaktor, der für ihr Jahrringwachstum am meisten limitierend ist. Wenn es beispielsweise kalt ist (wie in den Hochlagen der Alpen, des Himalayas oder im nördlichen Skandinavien), begrenzt die Temperatur das Holzwachstum. Wo es hingegen warm und trocken ist (wie im Tessin, Wallis, Südspanien oder Mexiko) reagiert das Wachstum primär auf Niederschlag und die Bäume stellen bei intensiver Trockenheit das Wachstum vorzeitig ein.

Wissenschafter der WSL haben nun zusammen mit Forschungsinstitutionen aus Kanada, Polen, Rumänien und den USA erstmals eine grosse Menge von Jahrringdaten analysiert, die von Bäumen aus weltweit 2710 Gebieten stammen und bezüglich der Klimaverhältnisse etwa 70% der globalen Waldfläche repräsentieren. An jedem der Standorte, vor allem in Nordamerika und Europa, aber auch in Russland, Zentralasien, Neuseeland, Argentinien und Chile (siehe Abb. 1) setzten die Forschenden das Baumwachstum mit den saisonalen Klimaschwankungen einer Periode des frühen (1930-1960) und des späten 20. Jahrhunderts (1960-1990) in Beziehung.

Grössere Trockenperioden in den nördlichsten Wäldern

Der Vergleich des Jahrringwachstums in den beiden Perioden zeigt, dass Bäume fast überall in der Welt in der späteren Periode mehr unter Trockenheit litten als in der früheren. Das Gebiet, in dem das Baumwachstum von Kälte begrenzt  wird, ist von der frühen zur späten Zeitperiode weltweit deutlich kleiner geworden. Abbildung 1 zeigt, dass dies vor allem die boreale Zone Eurasiens und Nordamerikas sowie die Hochlagen der grossen Gebirgsmassive in den Alpen, Patagoniens und Tibets betrifft. Dort war die Erwärmung überdurchschnittlich stark, die Niederschlagsmenge hingegen veränderte sich nur unwesentlich. Also verdunsteten die Bäume mehr Wasser, der Boden und die Luft wurden trockener und es ereigneten sich vermehrt Trockenperioden. Es ist davon auszugehen, dass sich in diesen Regionen sowie in der borealen Zone der Trend zur Erwärmung weiter fortsetzen wird.

Zunehmende Folgen von Wassermangel

Die Klimafolgenforschung zeigt, dass die Erwärmung im 20. Jahrhundert wesentlich geringer war, als sie für das 21. Jahrhundert vorhergesagt wird. «Wenn sich schon im 20. Jahrhundert zeigt, dass Bäume immer häufiger unter Wassermangel leiden, dann werden derartige Phänomene im 21. Jahrhundert mit hoher Wahrscheinlichkeit noch viel häufiger und stärker auftreten», sagt Flurin Babst, der Erstautor der Studie. Die Forschenden erwarten daher für die kommenden Jahrzehnte, dass die Bäume bei gleichbleibender Niederschlagsmenge grossräumig Stresssituationen ausgesetzt sein werden: «Die Bäume werden wohl bis weit in den hohen Norden, etwa bis zum 60 Breitengrad, regelmässig Trockenperioden ausgesetzt sein», so Babst.

Die Erkenntnisse dieser globalen Studie sind für die Schweiz relevant, in der sich das Klima vor allem mit zunehmender Meereshöhe verändert. So dürfte das Jahrringwachstum der Bäume in den Alpen in Zukunft immer weniger von der Temperatur gesteuert werden. Trockenheit wird zunehmend das Baumwachstum begrenzen, vor allem in den Tälern. Aktuelle Beispiele aus der Schweiz:

  • Die Waldföhre: Im Unterwallis sterben seit 20 Jahren zunehmend Bäume dieser Art ab. Das Wallis gehört zum südlichsten Teil ihres Verbreitungsgebietes.
  • Die Buche: Vor allem in der Nord- und Nordwestschweiz, aber auch in den angrenzenden Ländern, wurden im Sommer 2018 die Blätter zahlreicher Buchen frühzeitig braun. Im günstigsten Fall vertrockneten die Blätter nur vorzeitig, damit sie nicht mehr so viel Wasser verdunsteten wie in den Wochen zuvor, im ungünstigsten Fall starben Buchen ab.
  • Die Fichte: Die häufigste Baumart der Schweiz leidet im Mittelland immer häufiger unter Wasserstress. Dies macht sie attraktiv für Borkenkäfer. Im Sommer 2018 führten die Folgen eines Käferbefalls zum vorzeitigen Absterben vieler dieser Nadelbäume.

Zahlreiche Länder, darunter auch die Schweiz, haben sich im Pariser Klimaabkommen zur CO2-Reduktion verpflichtet. Der Wald ist in diesem Zusammenhang ein bedeutender CO2-Speicher. Denn die Fixierung von Kohlenstoff in Form von Holz wirkt den vom Menschen verursachten Emissionen entgegen. Forstleute und Waldeigentümer in der Schweiz werden sich zudem überlegen müssen, wie sie ihren Wald in Zukunft bewirtschaften und pflegen, damit er auch unter wärmeren und somit trockeneren Bedingungen weiterhin stabil bleibt und nachhaltig genutzt werden kann.

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