Kommen Sie, es gibt nichts zu sehen!

29.02.2016  |  News

„Atemberaubende Landschaften“ „Ein unvergesslicher Ausflug“ „Auf über 5000 Metern zu steigen – ein Erlebnis!“ Auf der Website tripadvisor.com findet man Erlebnisberichte von Touristen im Überfluss. Auslöser dieser Begeisterung ist der Standort eines verschwundenen Gletschers und einer ehemaligen Skipiste in Chacaltaya in den bolivianischen Anden. Ein Forscherteam aus der Schweiz hat sich für diese gelungene Anpassung des touristischen Angebots an den Klimawandel interessiert.

Die Klimaerwärmung hat den Gletscher Chacaltaya in Bolivien überwunden. Andere seiner Genossen in den Anden sind ebenfalls verschwunden, aber dieser kleine Gletscher hat Symbolcharakter, da er seit 1939 in 5400 m die höchstgelegene Skipiste der Welt war. Skifahren war hier seit 1987 fast nicht mehr möglich, und 2009 verschwand der Gletscher ganz und gar. «Denn in den subtropischen Anden führen die lange Trockenzeit und die kurzen Niederschläge im Sommer dazu, dass die Klimaerwärmung einen sehr starken Einfluss auf die Gletscher ausübt, die dann schneller schmelzen als in den Alpen», erklärt die schweizer Klimatologin Martine Rebetez

Ein Forscherteam des geografischen Instituts der Universität Neuenburg und der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL hat die Folgen untersucht, die das Verschwinden des Gletschers und des Skisports für die Attraktivität des Standorts hat. Die Ergebnisse zeigen, dass die Touristen, obwohl Gletscher und Skipiste verschwunden sind, immer noch nach Chacaltaya kommen, aber aus anderen Gründen. «Die herrliche Aussicht vom Gipfel, die schnelle und mühelose Anreise von La Paz aus, die Möglichkeit, den Ort für die Höhenakklimatisation zu nutzen, und die für manche erstmalige Berührung mit Schnee sorgen dafür, dass dieser Ort immer noch Besucher aus der ganzen Welt anlockt», erläutert Raoul Kaenzig, Hauptautor der Studie.

Den Verlust des Gletschers zum Trumpf machen

Aus den vor Ort geführten Interviews geht hervor, dass die Akteure der Tourismusbranche die gleiche Entschlossenheit teilen, Lösungen für den Erhalt von Aktivitäten an diesem Ort zu finden. Doch bei der Frage, wie die Weiterentwicklung des Ortes gestaltet werden soll, scheiden sich die Geister. Die mit dem Tourismus befassten Forscher der Universität und die Behörden haben vorgeschlagen, die eingetretenen Veränderungen unmissverständlich darzustellen und die Öffentlichkeit zu informieren, um damit als Grund für Besuche zu werben. Diese Idee hat die Bergführer und die Mitglieder des Andenvereins überzeugt, aber noch nicht die örtlichen Reisebüros. Diese ziehen es bislang noch vor, weiterhin Bilder von der höchsten Skipiste der Welt zu zeigen.

Innovativ sind vor allem die Bergführer

Das Beispiel des Chacaltaya veranschaulicht, dass ein touristischer Ort auch dann attraktiv bleiben kann, wenn er sein einstiges Hauptmerkmal verloren hat, sofern er multifunktional ist und sich anzupassen weiss. Die Ergebnisse dieser Studie haben zudem gezeigt, dass «die Bergführer unter allen Beteiligten diejenigen sind, die sich am schnellsten an die neuen, vom Klimawandel geschaffenen Bedingungen anpassen» führt Raoul Kenzig weiter aus. In den bolivianischen Anden berücksichtigen sie nicht nur das Verschwinden der Gletscher, sondern auch die neuen Gefahren, die die Aktivitäten im Gebirge bedrohen. Und sie verstehen es vor allem auch, Nutzen aus den neuen Gelegenheiten sowie den Erwartungen der Touristen zu ziehen, indem sie einerseits von Schnee und Eis unabhängige Aktivitäten anbieten, wie Klettern oder Mountainbike, und andererseits die Touristensaison verlängern. Während die Führer noch bis vor kurzem nur von Juni bis August arbeiteten, sind sie nun zunehmend das ganze Jahr über aktiv und bieten ein breites Spektrum von Aktivitäten an, die auf die Nachfrage einer neuen Kundschaft abgestimmt sind.

 

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Originalpublikation:

Raoul Kaenzig, Martine Rebetez & Gaëlle Serquet (2016): Climate change adaptation of the tourism sector in the Bolivian Andes, Tourism Geographies, DOI: 10.1080/14616688.2016.1144642