Nach dem extrem heissen und trockenen Sommerhalbjahr 2018 starteten Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL insgesamt 13 Untersuchungen zu den Folgen dieser Extremsituation auf die Wälder und den Wasserhaushalt. Nun liegen erste Resultate vor.
In vielen Teilen der Schweiz war der Sommer 2018 die längste und heisseste Periode ohne Niederschläge seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnungen 1864. Wer im Spätsommer 2018 in der Natur unterwegs war, wunderte sich über die frühzeitigen Herbstfarben zahlreicher Bäume.
Die WSL verfolgt nicht nur seit 134 Jahren landesweit die Entwicklung der Wälder minutiös, sondern verfügt auch über langjährige Erfahrung in Hydrologie und Biodiversität. In 13 Analysen erkundet sie nun, wie ausgeprägt die lang andauernde Trockenheit 2018 war und welche Auswirkungen sie kurz- und mittelfristig auf die Wälder der Schweiz haben könnte. Ziel ist es, die Auswirkungen der Trockenheit 2018 in langfristige Beobachtungen einordnen und solche Extremereignisse in Zukunft besser beurteilen oder sogar vorhersagen zu können.
Von sechs dieser Analysen liegen jetzt erste Resultate vor. Es zeigte sich, dass die vorzeitige Blattverfärbung bei Buchen zu Einbussen im Holzwachstum führte, dass von Blitzschlägen ausgelöste Waldbrände überdurchschnittlich häufig auftraten und dass so ein gravierender Wassermangel im Schnitt alle hundert Jahre vorkommt.
Fazit: Der Wald stirbt nicht, aber es sterben Bäume
Andreas Rigling, Leiter der Forschungseinheit Walddynamik der WSL, fasst diese ersten Erkenntnisse zusammen: «Die Trockenheit und Hitze im 2018 waren ausserordentlich und zunehmend werden die Konsequenzen für den Wald sichtbar: vielerorts schwächeln die Bäume, das Baumwachstum ist reduziert, Kronenteile oder ganze Bäume sterben ab. Auch wenn wir nicht von einem Waldsterben sprechen, so werden wichtige Leistungen des Waldes lokal beeinträchtigt werden.»
Resultate der einzelnen Projekte: ¶
1. Historische Einordnung von Baumschäden durch die Trockenheit 2018
Die Trockenheit zwischen April und September 2018 ist meteorologisch vergleichbar mit den Jahren 2003 und 1947. Das wirft die Frage auf, ob damals und auch in anderen Jahren an Bäumen oder Beständen Schäden als Folge von Trockenheit auftraten. Eine Analyse aus dem Jahr 1988 über Schadensmeldungen nach Witterungsextremen seit 1850 zeigt, dass besonders nach den Trockenphasen 1911–12 und 1943–50 viel Holz abstarb. Betroffen davon waren wiederholt Fichte und Weisstanne (Borkenkäferbefall), aber auch Buchen und Eichen.
Die jährlich verfassten Rechenschaftsberichte der Kantone über den Wald nennen im 19. und beginnenden 20. Jh. vielfach auch Schäden an Pflanzungen und Baumschulen. Nach den ersten Ergebnissen kann das Trockenjahr 2018 am ehesten mit den wiederholt niederschlagsarmen Nachkriegsjahren verglichen werden. So wurde zum Beispiel die Situation im Kanton Zürich im Jahr 1949 als «langsam katastrophal für die Fichte im Wein- und Unterland» bezeichnet.
Kontakt: Thomas Wohlgemuth
2. Wasserverfügbarkeit: Wie trocken war es 2018 im Vergleich zu 2003 und 2015?
Eine Trockenperiode hat verschiedene Gesichter: Sie kann je nach Wasserdefizit beim Niederschlag, beim Abfluss in Fliessgewässern, bei der Bodenfeuchte und zuletzt auch beim Grundwasserspiegel räumlich und zeitlich unterschiedlich ausgeprägt sein. Hydrologinnen und Hydrologen der WSL haben die Wasserbilanz des Sommers 2018 analysiert. Die Trockenheit 2018 war bezüglich der Bodenfeuchtigkeit und des Wasserabflusses vielerorts gravierender als die letzten beiden Trockensommer 2003 und 2015. In den betroffenen Regionen, in diesem Fall besonders in der Nordostschweiz, kommt ein solches Ereignis im Durchschnitt etwa alle 100 Jahre vor.
Kontakt: Käthi Liechti
3. Buchenwälder von frühzeitiger Blattbräune besonders betroffen
Blattverfärbung, frühzeitiges Welken und Wasserstress waren bei Bäumen im östlichen Mittelland wesentlich ausgeprägter als in den trockenen Sommern 2016 und 2017 – das zeigen Bilder, die mit dem Sentinel-2-Satelliten aufgenommen wurden. Am offensichtlichsten waren die Auswirkungen der Trockenheit bei den Buchen. Je näher am Waldrand die Bäume standen und je höher sie waren, desto eher verfärbten sich ihre Blätter. Die Analysen der Satellitenbilder zeigten jedoch auch Trockenheitseffekte bei anderen Baumarten wie Ulme, Esche, Erle und Ahorn. Die Untersuchungen werden dieses Jahr weitergeführt, um die Auswirkungen des letzten Sommers bis zum heutigen Zustand noch genauer zu analysieren.
Kontakt: Christian Ginzler
und
Kontakt: Andri Baltensweiler
4. Kurzfristige Auswirkungen auf zuvor gemessenen Stichprobenflächen
Das Landesforstinventar (LFI) erfasst seit 1983 Zustand und Veränderungen des Schweizer Waldes. Im Spätsommer 2018 besuchten die Feldteams in der Nordschweiz 75 LFI-Flächen mit mindestens einer Buche, die bereits zwischen April und Mai 2018 im Rahmen der routinemässigen LFI-Erhebungen vermessen worden waren. Sie massen erneut den Durchmesser aller rund 820 vorhandenen Bäume, um das Wachstum über den Sommer zu beurteilen. Bei Buchen prüften sie auch Laubdichte und -farbe, um starken Blattverlust und Verfärbungen zu erfassen.
Der Trockensommer zeigte eine markante Wirkung: 17% der untersuchten Buchen wiesen braune Blätter und starken Blattverlust auf – eine grössere Häufigkeit als aufgrund langfristiger Beobachtungsdaten zu erwarten wäre. Stark betroffene Buchen waren im Zeitraum April bis August 2018 deutlich weniger gewachsen als nicht betroffene Bäume. Die Rechenmodelle des LFI für das zu erwartende Baumwachstum zeigten aber auch für weitere Baumarten einen Wachstumsrückgang im Jahr 2018.
Kontakt: Brigitte Rohner
5. Mittelfristige Auswirkung des frühen Laubfalls 2018 auf die Buche
Wenn grosse Bäume bereits im Sommer ihr Laub wegen Trockenheit fallen lassen, stellt sich die Frage, wie gut sie ein solches Ereignis wegstecken können. Treiben sie wie üblich im nächsten Frühling wieder aus, oder zeigen sie in den Folgejahren Anzeichen von Beeinträchtigungen? Um diese Fragen zu klären, wurden bis im September 2018 knapp 1000 Buchen in den drei von Trockenheit stark betroffenen Gebieten Baselland, Schaffhausen und Knonaueramt markiert.
Die Kontrolle dieser Bäume im Mai 2019 zeigte, dass 18% der Buchen mit frühem Laubfall Schleimfluss aufwiesen, eine Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger und Schädlinge. Dieses Symptom zeigten dagegen nur 6% der Kontrollbäume mit spätem Laubfall. Bei 51% der Buchen mit frühem Laubfall waren zehn oder mehr Prozent der Äste in der Krone dürr (Kronenmortalität), bei den Kontrollbäumen wiesen lediglich 22% der markierten Buchen trockene Kronenteile auf. Die ersten Erkenntnisse deuten somit darauf hin, dass ein verfrühter Laubfall zu einer Schwächung der Buchen führt.
Kontakt: Thomas Wohlgemuth
6. Natürliche Waldbrände könnten in Zukunft zunehmen
In besonderes trockenen Sommern treten durch Blitze ausgelöste Waldbrände häufiger auf. 2018 haben Forschende der WSL 36 solcher Ereignisse registriert, 80% davon im Juli und August. Nach 2003 war 2018 jenes Jahr in den letzten zwanzig Jahren, in dem auf diese Art entstandene Waldbrände am zweithäufigsten vorkamen. Ungewöhnlich ist, dass besonders viele dieser Brände den Kanton Bern betrafen, nämlich 11 von insgesamt 34. Er stand von 2000 bis 2018 in punkto Blitzschlagbrände an fünfter Stelle nach den Kantonen TI, GR, VS und SZ.
Drei Viertel der von Blitzen ausgelösten Waldbrände wurden am ersten Tag nach dem Blitzeinschlag bemerkt. Ein Viertel hingegen schwelte zwei bis sechs Tage lang, bevor die Feuerwehr sie bemerkte und löschte. Sollte es in Zukunft vermehrt derart trockene Sommer geben, ist mit einer Zunahme der natürlichen Waldbrände zu rechnen. Die Gruppe arbeitet derzeit an einem Modell, um die Entstehung von Waldbränden durch Blitze besser verstehen und voraussagen zu können.
Kontakt: Jose Antonio Vazquez Moris (nur Englisch), erreichbar via Email und Skype: liath0 (Herr Vazquez ist in Südamerika mit einer Zeitverschiebung von -5 Std. Schweizer Zeit)
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