Neue Pflanzenarten zeigen den Klimawandel an

Mit einem innovativen Ansatz und historischen Daten analysierten Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL den Wandel  der Flora im Kanton Zürich. Die Ausbreitung nicht einheimischer Pflanzen verriet ihnen am meisten über dessen Ursachen.

Wenn sich Klima und Landnutzung verändern, begünstig dies manche Pflanzenarten und benachteiligt andere. Für den Kanton Zürich konnten Forscher der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und der Universität Zürich nun dank einer einzigartigen Datenquelle die Gewinner und Verlierer dieses Wandels identifizieren.

Einheimische Pflanzen der Feuchtgebiete und mageren Wiesen gingen zurück, während überdurchschnittlich viele nicht einheimische Arten häufiger wurden. 66 Prozent dieser sogenannten Neophyten konnten sich in der Zeit zwischen den historischen und aktuellen Erhebungen ausbreiten. Von den einheimischen Arten gelang dies weniger als zehn Prozent.

«Historischer» Glücksfall

«Wir hatten das grosse Glück, dass für den Kanton Zürich gute Daten zur historischen Flora existieren», sagt der Studienleiter Thomas Wohlgemuth von der WSL. Die Forschenden konnten auf insgesamt über 19'000 historische Einzelfunde aus der Zeit zwischen 1900 und 1930 zurückgreifen. Das erlaubte den direkten Vergleich mit der heutigen Pflanzenwelt.

Die Ursachen der Veränderungen zeigte dieser aber nicht. Um sie zu identifizieren, analysierten die Forscher die sogenannten ökologischen Zeigerwerte der Arten. Sie beschreiben die ökologischen Ansprüche einer Pflanze in fünf Stufen von wenig nach viel.

«Eins heisst beispielsweise, die Pflanze wächst an Orten mit kühlen Temperaturen, also in Hochlagen, und Fünf bedeutet, die Art hat es gern sehr warm», erklärt Wohlgemuth. Zeigerwerte gibt es nicht nur für die Temperatur, sondern etwa auch für die Feuchtigkeits-, Licht- oder Nährstoffvorlieben der Pflanzen.

Wärmer, trockener und nährstoffreicher

Wohlgemuth und seine Kollegen mittelten für ihre Studie die Zeigerwerte verschiedener Pflanzengruppen – etwa jene der einheimischen Pflanzen und die der Neophyten. Letztere erwiesen sich als deutlichste Indikatoren für die veränderten Lebensbedingungen im Kanton, wie Daniel Scherrer erklärt, der Erstautor der Studie.

Ihre Zeigerwerte deuten darauf hin, dass sie warme, trockene und nährstoffreiche Lebensräume bevorzugen. Ihr gehäuftes Auftreten in den entsprechenden Gebieten des Kantons spiegelt die Intensivierung der Landwirtschaft und zunehmende Urbanisierung wieder, ebenso wie die damit verbundene Trockenlegung vieler Feuchtgebiete.

Klares Klimasignal

Aber die Studie zeigt auch klar auf, dass eben nicht nur die Landnutzungsänderung hinter dem Erfolg der Neophyten steht: «Die Zunahme der Neophyten hängt auch damit zusammen, dass es wärmer geworden ist», sagt Scherrer. Den Forschern ist es damit gelungen, ein Klimasignal im Florenwandel im Flachland nachzuweisen. Dort war es bisher schwer, den Klimaeinfluss von der Landnutzungsänderung zu trennen.

Der Vergleich der Zeigerwerte und globalen Verbreitungsschwerpunkte der Neophyten und einheimischen Arten ergab einen Unterschied in deren Temperaturvorlieben von etwa 1,8 Grad. Dies entspricht in etwa der seit vorindustrieller Zeit gemessenen Temperaturerhöhung von zwei Grad im Kanton Zürich.

«Einen kausalen Zusammenhang kann man hier aber nicht herstellen: Viele der Neophyten waren schon vor 1900 vorhanden und andere sind erst in den letzten paar Jahrzehnten dazugekommen», warnt Scherrer. «Aber trotzdem ist es spannend, dass sich die Zahlen decken.»

Kontakt

Publikationen

Projekte

Copyright

WSL und SLF stellen Bildmaterial zur Bebilderung von Presseartikeln im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung kostenfrei zur Verfügung. Eine Übernahme der Bilder in Bilddatenbanken und ein Verkauf der Bilder durch Dritte sind nicht gestattet.