26.01.2024 | Andreas Bättig | WSL News
Ozon hinterlässt heute noch sichtbare Schäden auf den Blättern europäischer Laubbaumarten. Dies zeigt eine internationale Studie unter der Koordination der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Die Forschenden fanden heraus, dass einige Pflanzen unter bestimmten Umweltbedingungen besonders empfindlich auf das in Bodennähe giftige Ozon reagieren. Sie eignen sich daher gut als Frühwarnsystem.
In einer europaweiten Feldstudie haben Forscherinnen und Forscher bedeutende sichtbare Schäden gefunden, die giftiges Ozon auf den Blättern von Laubbäumen hinterlässt. Und das, obwohl die Gesamt-Ozonkonzentration zwischen 2005 und 2018 stabil geblieben oder leicht gesunken ist.
Diese Schäden (auf Englisch: visible foliar symptoms, kurz VFS) waren vor allem auf der Blattoberseite zu sehen und zeigten sich als dünne, hellgrüne, rötliche oder dunkelbraune, stecknadelkopfgrosse Punkte zwischen den Blattadern. Ältere Blätter sind am stärksten betroffen gewesen. Zudem konnten die Forschenden einen Zusammenhang zwischen den VFS und bestimmten Blattmerkmalen wie der spezifischen Blattfläche und -dicke nachweisen.
«Die Zellen der Blätter waren geschädigt. Welche Auswirkungen diese Schäden auf die Gesundheit der Pflanzen insgesamt haben, können wir noch nicht sagen», sagt Marco Ferretti, der leitende Forscher. Die Studie fand im Rahmen des «ICP Forests» statt, einem UNECE-Programm (siehe Kasten). Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL führte die Studie durch und koordiniert sie.
Manche Arten reagieren besonders empfindlich ¶
Die Studienautorinnen und Studienautoren fanden deutliche VFS in Teilen von Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Litauen und Griechenland. Weniger Anzeichen von Ozonauswirkungen stellten die Forschenden in Kroatien, Spanien, Italien und Teilen Mittel- und Osteuropas fest.
Bei den Baumarten war die Rotbuche (Fagus sylvatica) am häufigsten betroffen. «Empfindliche Pflanzen können als Frühwarnsystem für die Auswirkungen von Ozon auf die Vegetation dienen», sagt Ferretti. Andere Arten wie der westliche Erdbeerbaum (Arbutus unedo) sind offenbar weniger empfindlich. Aufgrund ihrer Blatteigenschaften und Wachstumsbedingungen waren selbst bei hohen Ozonwerten keine oder nur minimale Blattsymptome sichtbar.
Gesamte Artenvielfalt berücksichtigen ¶
Weil die Pflanzen unterschiedlich auf Ozon reagieren, ist es gemäss Ferretti entscheidend, die gesamte Pflanzengemeinschaft zu untersuchen und nicht nur ausgewählte Arten an einem Standort. Nur so könne man sich ein ganzheitliches Bild von den möglichen Auswirkungen von Ozon auf den ganzen Laubwald in einer bestimmten Region machen. «Die Anfälligkeit eines Laubwaldes für Ozon variiert mit seiner Artenzusammensetzung, selbst bei gleicher Ozonkonzentration», erklärt Ferretti.
Die Studie zeigt auch, dass die Blattsymptome nicht immer direkt proportional zur Ozonkonzentration auftreten. So beobachteten die Forscherinnen und Forscher beispielsweise in den alpinen und kontinentalen Regionen mit niedrigeren Ozonkonzentrationen mehr Symptome. In den Mittelmeerregionen mit hohen Konzentrationen traten weniger VFS auf. Den Autorinnen und Autoren zufolge deutet dies darauf hin, dass nicht nur die Ozonkonzentration die Anfälligkeit von Laubwäldern gegenüber Ozon beeinflussen kann. Auch andere Faktoren wie die Vegetation (z. B. die Artenzusammensetzung), die Atmosphäre und die Wasserverfügbarkeit im Boden spielten eine Rolle bei der Anfälligkeit für Ozon.
Forschende empfehlen längere Überwachung ¶
Das Forscherteam sammelte und analysierte Daten zwischen April und September und von 2005 bis 2018 in 20 Ländern. Von den 149 untersuchten Pflanzenarten zeigten 57 Arten (38,3 %) sichtbare und durch Ozon hervorgerufene Blattsymptome, die an 57 der 91 untersuchten Standorte (62,6 %) beobachtet wurden.
Die Forschenden der Studie empfehlen eine langfristige und kontinuierliche Überwachung, um die Auswirkungen von Ozon auf die Gesundheit, das Wachstum und die Artenvielfalt von Laubwäldern zu verstehen.
UNECE und ICP Forests ¶
Die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (United Nations Economic Commission for Europe UNECE) wurde 1947 gegründet. Hauptziel der UNECE ist die Förderung der gesamteuropäischen wirtschaftlichen Integration. 1979 haben 32 Länder (heute sind es 51) das Luftübereinkommen (das erste internationale multilaterale Übereinkommen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung) unterzeichnet. Im Rahmen des Luftverschmutzungsübereinkommens wurde 1985 das Internationale Kooperationsprogramm zur Erfassung und Überwachung der Auswirkungen von Luftverunreinigungen auf Wälder (International Cooperative Programme on Assessment and Monitoring of Air Pollution Effects on Forests ICP Forests) ins Leben gerufen. Dies, um der grossen öffentlichen und politischen Besorgnis über die umfangreichen Waldschäden Rechnung zu tragen, die zu Beginn der 80er Jahre in Europa beobachtet wurden. Ziel von ICP Forests ist es, die Auswirkungen anthropogener (insbesondere Luftverschmutzung) und natürlicher Stressfaktoren auf den Zustand und die Entwicklung von Waldökosystemen in ganz Europa und darüber hinaus zu überwachen. Zudem soll es zu einem besseren Verständnis der Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Funktionsweise von Waldökosystemen beitragen. Heute sind 42 Länder Teil des ICP Forests. Seit 2017 ist Marco Ferretti der Vorsitzende des ICP Forests.
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