SNF-Förderung: Warum die Berge besonders artenreich sind

Professor Loïc Pellissier leitet die gemeinsame Forschungsgruppe Ökosysteme und Landschaftsevolution an der WSL und der ETH Zürich. Der Forscher hat vom Schweizerischen Nationalfonds einen Consolidator Grant in der Höhe von 1,75 Millionen Franken erhalten. Damit werden die Zusammenhänge zwischen Landschaftsdynamik und der Entstehung neuer Arten untersucht.

Herzliche Gratulation zum SNF Grant, mit dem Ihr Projekt „BurGeoN“ (Bursting speciation from Geological DyNamics in mountains) finanziert wird. Um das Projekt in einen Kontext zu stellen: Wie beeinflussen Landschaften die Biodiversität?

Wir wissen, dass es in den Tropen mehr Pflanzenarten gibt als in den höheren Breiten. Die pflanzenreichsten Regionen liegen alle in Berggebieten, aber nicht alle Berge sind artenreich. Wir haben die globale Pflanzenverteilung kartiert, die sehr ungleichmässig zu sein scheint: Es gibt regionale Hotspots, die extrem artenreich sind.

Was ist die Hauptfrage, die Sie mit diesem Projekt beantworten wollen?

Warum sind Berggebiete so artenreich? Das ist die eigentliche Frage. Uns interessiert, wie tektonische, geologische und klimatische Prozesse die Diversifizierung, also die Entstehung neuer Arten, beeinflussen.

Wie sind Sie auf Ihre Hypothese gekommen, dass die Artenvielfalt von Landschaftsveränderungen abhängt?

Wir haben fünf Jahre lang die Region der Hengduan-Berge in China untersucht, die sehr reich an Pflanzenarten ist. Das Nebeneinander von drei grossen Flüssen – dem Mekong, dem Jangtse und dem Saluen – deutet auf eine starke tektonische Aktivität hin. Das war es, was uns den Floh ins Ohr gesetzt hat: dass man dynamische Landschaften braucht, um Vielfalt zu schaffen. Auch andere Hotspots der biologischen Vielfalt zeichnen sich durch hohe Dynamik aus. In den nördlichen Anden zum Beispiel haben tektonische Aktivitäten neue Lebensräume geschaffen, in denen sich viele Arten ansiedeln und anpassen konnten. Im Osten Madagaskars haben starke Regenfälle Lebensräume erodiert, so dass sie fragmentiert wurden und sich wieder zusammenfügen. Dieser dynamische Prozess, der Arten isoliert und wieder zusammenführt, scheint auch die Diversifizierung zu fördern.

Welche Landschaften werden im Rahmen der Studie untersucht?

Wir werden im Atlantischen Wald in Brasilien, in der Andina-Region in Kolumbien und in der Oaxaca-Region in Südmexiko arbeiten. In jeder Region werden wir drei Gebiete auswählen, die jeweils etwa 100 km mal 100 km gross sind. Für jede dieser Landschaften werden wir die Zusammensetzung der Pflanzenarten und ihre genetischen Abstammungslinien kartieren. Das wurde noch nie zuvor gemacht.

Welche Methoden werden Sie anwenden?

Wir werden Umwelt-DNA (auf Englisch «environmental DNA», kurz eDNA) verwenden, um die Pflanzenarten in jeder Probe zu erfassen und zu kartieren. eDNA ist genetisches Material, das in einem Lebensraum vorkommt, zum Beispiel durch Pollen oder Blattresten, und mit dem wir die dort lebenden Pflanzen identifizieren können. Dann werden wir neue Methoden entwickeln, um die Abstammungslinien innerhalb der Arten zu verfolgen und so evolutionäre Prozesse wie die Isolation von Populationen aufzudecken. Indem wir Vegetationsdaten mit geologischen Ereignissen verknüpfen, hoffen wir, die Mechanismen hinter solchen Mustern der Artenvielfalt besser zu verstehen.

Was ist das langfristige Ziel?

Grundsätzlich möchten wir die Bedingungen verstehen, unter denen sich komplexes Leben entwickeln kann. Unsere Gruppe ist Teil des Centre for Origin and Prevalence of Life an der ETH Zürich. Wir wollen nicht nur die Entstehung von Leben und die Komplexität des Lebens auf dem Planeten Erde verstehen, sondern auch die geologischen und geochemischen Bedingungen, die zu komplexem Leben auf anderen Planeten führen könnten. Unsere Erwartung ist, dass Plattentektonik eine Voraussetzung für komplexes Leben auf einem Planeten ist.

Wie kann Ihre Forschung in der Praxis dazu beitragen, die aktuellen Herausforderungen beim Schutz der Biodiversität zu bewältigen?

Die Daten der neuen Landschaften werden in ein Simulationsprogramm integriert, mit dem wir unsere Erkenntnisse auf andere Landschaften ausweiten können. Die Methoden, die wir entwickeln, können auf den Artenschutz im Kontext des Klimawandels angewendet werden. Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern geben wir unsere Methoden und unser technisches Wissen weiter. eDNA ist ein revolutionärer Ansatz und könnte der neue Standard für die Erhaltung und Überwachung der biologischen Vielfalt werden.

Der SNF Consolidator Grant entspricht dem Consolidator Grant des European Research Council (ERC), der Forschenden mit Sitz in der Schweiz in den Jahren 2021-2024 nicht zur Verfügung steht. Forschende mit 7 bis 12 Jahren Erfahrung können bis zu 1,75 Millionen Franken erhalten, um unabhängig zu werden. Ab 2025 können sich in der Schweiz ansässige Forschungsgruppen wieder um ERC Consolidator Grants bewerben.

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