Steinschlagtests unter realitätsnahen Bedingungen

Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF und die Geobrugg AG haben in den letzten zwei Jahren bei Tests am Flüelapass untersucht, wie sich realistische Einschläge von Testblöcken auf Steinschlagbarrieren auswirken. Die ersten Ergebnisse aus diesem Innosuisse-Projekt sind jetzt als WSL-Bericht verfügbar.

Test mit einem 3.2 Tonnen schweren, würfelförmigen Betonblock (08.10.2020, Video: SLF/E. Frei).

Bereits Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre fanden die ersten Tests mit Steinschlagbarrieren statt, wobei damals teilweise noch auf die «natürliche Variante» gesetzt wurde: Man liess Steine einen Hang hinunter in eine Barriere rollen und auf eine Barriere treffen. Dabei änderten die Testblöcke abhängig vom Gelände immer wieder die Bahn, sprangen und schlugen folglich unkontrolliert irgendwo im Netz ein. Aus diesen Tests konnten zwar wertvolle grundsätzliche Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit derartiger Systeme gewonnen werden, allerdings wurde bald klar, dass die Aussagekraft solcher Tests sehr begrenzt war. Sie liessen keine wirklichen Vergleiche zwischen den verschiedenen Schutzsystemen zu, da zu viele unterschiedliche Parameter hineinspielten.

In der Folge wurde eine Testmethode entwickelt, die auf Grund vordefinierter, kontrollierbarer Parameter einen echten Vergleich der verschiedenen Systeme ermöglichte. Man einigte sich auf die bis heute etablierte Methode, bei der durch einen Treffer ins Mittelfeld (MEL, Maximum Energy Level) bzw. durch zwei aufeinanderfolgende Schüsse ins Mittelfeld (SEL, Service Energy Level) eine Barriere getestet wird.

In den letzten Jahrzehnten haben sich flexible Steinschlagbarrieren mit hochfesten Stahldrahtnetzen als effiziente und zuverlässige Schutzmassnahme weltweit etabliert. Gleichzeitig haben sich die Energieaufnahmefähigkeiten von damals 1500 kJ auf bis zu 10'000 kJ erhöht. Bei derart hohen Energien und teils höheren Verbauungen stellt sich zwangsläufig wieder die Frage, was «natürliche» Einschläge bewirken, also Einschläge von Felsblöcken, die an einer beliebigen Stelle in das Netz einschlagen und dabei möglicherweise auch noch rotieren.

In einem Innosuisse-Forschungsprojekt des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF gemeinsam mit dem Industriepartner Geobrugg AG werden seit 2019 in diversen Feldtests die Einflüsse von unterschiedlichen Lastfällen auf Steinschlagbarrieren ermittelt. Zu diesem Zweck wird am Flüelapass in natürlichem Gelände eine ausgedehnte Feldtestserie durchgeführt, bei der verschiedene Steinformen und -grössen in eine Steinschlagbarriere abgeworfen werden. Sowohl Steine als auch die Barriere selbst sind mit diversen Sensoren ausgerüstet, um die Belastung auf unterschiedliche Elemente des Schutzsystems zu messen. So wird beispielsweise untersucht, wie sich Treffer an verschiedensten Aufprallpositionen, die Rotation der Testblöcke sowie die verschiedenen Aufprallgeschwindigkeiten auf das Verhalten der Barriere auswirken.

Zusätzlich sind auch die Testblöcke selbst mit Sensoren versehen, die die Rotation und Beschleunigung des Steines während des Sturzes und beim Aufprall auf die Barriere messen. In Kombination mit hochauflösenden Drohnen- und Videoaufnahmen aus verschiedenen Blickrichtungen können dadurch die Flugbahnen und Geschwindigkeiten der einzelnen Blöcke detailliert rekonstruiert werden. Das ermöglicht den Forschenden, weitere Erkenntnisse über das Zusammenspiel aller Parameter zu gewinnen.

Die Auswertung der Daten hat gezeigt, dass es heute möglich ist, Zusatztests wie sie schon in den 1990er Jahren angedacht, aber auf Grund des damaligen massiv tieferen Entwicklungsstandes der Sensor- und Computertechnik noch nicht sinnvoll möglich waren, als Ergänzung zu den vorgeschriebenen Tests durchzuführen. Ziel dabei ist für das SLF, die Steinschlag-Simulationssoftware RAMMS::Rockfall weiter zu verfeinern. Für Geobrugg steht im Vordergrund, die Barrieren – neben bereits durchgeführten Versuchen auf dem Testgelände – noch besser für Steinschläge zu optimieren, wie Sie unter natürlichen Bedingungen vorkommen.

WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Das SLF ist Teil der Eidg. Forschungsanstalt WSL und gehört damit zum ETH-Bereich. Seine Aufgaben sind Forschung und wissenschaftliche Dienstleistungen rund um Schnee, Lawinen, weitere alpine Naturgefahren, Permafrost und Gebirgsökosysteme. Seine bekannteste Dienstleistung ist das Lawinenbulletin.

Geobrugg als Teil der BRUGG-Gruppe
Geobrugg als eigenständige Firmengruppe innerhalb der BRUGG-Gruppe ist spezialisiert auf die Verarbeitung von hochfestem Stahldraht zu Schutzsystemen. Diese schützen vor Naturgefahren wie Steinschlag, Erdrutsch, Murgang oder Lawinen, gewährleisten Sicherheit im Berg- und Tunnelbau sowie auf Motorsportstrecken. Mehr als 65 Jahre Erfahrung sowie eine enge Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten und Universitäten machen Geobrugg zum Pionier und führenden Experten in diesen Segmenten.

Bilder von den Steinschlagtests auf dem Flüelapass am 08.10.2020

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Schwerlasthelikopter Kamov mit Testblock (Foto: SLF/M. Heggli)
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Absetzen des Blocks an der Abwurfposition (Foto: SLF/M. Heggli)
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Testblock unterwegs (Foto: SLF/M. Heggli)
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Testblock unterwegs (Foto: SLF/M. Heggli)
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Testblock im Netz (Foto: SLF/E. Frei)

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