27.10.2017 | News
Die Torfmoore bewahren unabhängig von der geringen Vielfalt ihres Ökosystems stets ihre Robustheit, ganz gleich ob sie einem gemässigten oder eiszeitlichen Klima ausgesetzt sind. Ein Team der Eidg. Forschungsanstalt WSL und der EPFL machten eine Entdeckung, die unser Verständnis der Biodiversität erweitert.
Luca Bragazza, wissenschaftlicher Mitarbeiter, und Alexandre Buttler, Leiter des Labors für Ökosysteme (ECOS - EPFL-WSL), untersuchten gemeinsam mit einem Team europäischer Forscher, zu dem auch zwei ehemalige Postdoktoranden der EPFL gehörten, 560 Vegetationsproben aus intakten Torfmooren, die in 56 europäischen Ländern entnommen wurden. Mithilfe des wertvollen Materials konnten sie das Verhalten dieser Ökosysteme angesichts verschiedener Temperaturen, Niederschlagsmengen und Grade von Luftverschmutzung analysieren. Das Ergebnis: Die Eigenschaften der Torfmoore waren überall identisch und belegten eine erstaunliche Fähigkeit zur Anpassung an Klimaschwankungen. Wie lässt sich das erklären?Die in bestimmten Klimazonen vorhandenen Pflanzenarten werden in anderen Gebieten durch andere Arten ersetzt, die genau die gleichen Aufgaben erfüllen, aber besser an ihre Umgebung angepasst sind. Die Untersuchung wird in Nature Communications veröffentlicht.
Die Torfmoore spielen eine herausragende Rolle auf der Erde. Obwohl sie nur 3 % der Erdoberfläche bedecken, versiegeln sie rund 500 Gigatonnen Kohlenstoff; das entspricht 67 % des in der Atmosphäre vorhandenen CO2 und der Leistung sämtlicher borealen Wälder, die 10 % unseres Planeten bedecken. Ein einziger Meter Torf speichert CO2 aus einem ungefähren Zeitraum von 1000 Jahren. Daher ist es von vitaler Bedeutung, das Verhalten der Torfmoore angesichts des Klimawandels vorherzusagen, um zu wissen, ob demnächst mit einem massiven Ausstoss an CO2 in die Atmosphäre zu rechnen ist. Torfmoore liegen auf einem feuchten und sauren Boden und verfügen über eine bescheidene Biodiversität, die von einer Region zur anderen nur geringfügige Unterschiede aufweist, und Pflanzenarten, welche empfindlich auf die Umweltbedingungen reagieren. Nur rund sechzig Arten leben in solchen Biotopen. Sie gliedern sich in Gefässpflanzen (Sträucher, Graspflanzen, fleischfressende Pflanzen) und Moose (Torfmoose). Torfmoore scheinen also auf den ersten Blick schlecht gerüstet, um den Klimaschwankungen die Stirn zu bieten. Wenn die Torfmoose zugunsten der Gefässpflanzen schwinden, kippt das Ökosystem, und die CO2-Speicherung kann beträchtlich sinken.
In den Umweltwissenschaften sind gute Neuigkeiten selten. Darum ist die erstaunliche Widerstandskraft der Torfmoore so erfreulich für die Autoren der Studie. «In der Ökologie gehen wir immer vom Grundsatz aus, dass ein Milieu, das einen schwachen Grad an Biodiversität aufweist, bei der geringsten Störung zu verschwinden droht. Deswegen eröffnen unsere Beobachtungen den Weg zu einem neuen Verständnis der Biodiversität. Die Untersuchung erinnert auch daran, wie wichtig es ist, die Torfmoore nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch wegen ihrer wichtigen ökologischen Dienste, die sie für das Ökosystem leisten, zu bewahren», erläutert Luca Bragazza.
Die 560 Torfmoorproben zu analysieren war keine leichte Aufgabe. Die Forscher untersuchten zunächst deren taxonomische Biodiversität und beobachteten hierbei die Zahl der in jeder Parzelle vorhandenen Arten sowie ihre Häufigkeit. Danach untersuchten sie über fünfzehn Funktionsmerkmale dieser Arten, d.h. deren Rolle im Torfmoor. Hierbei ging es beispielsweise darum, wie die Pflanzenarten die Lichtquelle brauchen speichern oder Wasser aufnehmen und um die in den Moosen vorhandene Menge an Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor oder auch die Morphologie der Blätter der Gefässpflanzen (Dicke, Grösse und Durchmesser). Die Forscher benutzten eine Datenbank, welche diese Informationen enthielt, und verglichen sie mit dem Artenkatalog, der aufgrund der Torfmoorproben erstellt worden war. «Wir haben für jedes in der Datenbank angegebene Funktionsmerkmal den Mittelwert genommen indem und dabei bei jeder Torfmoorprobe die Häufigkeit der vorhandenen Arten in jeder Torfmoorprobe berücksichtigt wurde. Dieses Verfahren hat es uns ermöglicht, über den einfachen Vergleich der in unseren Proben vorhandenen Arten hinauszugehen», präzisiert Luca Bragazza.
Zu ihrer grossen Überraschung konnten die Forscher so eine funktionale Redundanz beobachten: Die Gefässpflanzen und die Moose ersetzen einander gegenseitig je nachdem, welchen Klimaparametern sie ausgesetzt sind, und gewährleisten so das Überleben des Torfmoors als Ökosystem. «Die durch die Pflanzen angezeigten durchschnittlichen Funktionsmerkmale blieben identisch, selbst bei einem taxonomischen Wechsel. So wurden die Pflanzenarten der irischen Torfmoore in Schweden durch andere, besser an das Klima angepasste Arten ersetzt, aber letztere behalten die gleiche Funktion im Ökosystem, zum Beispiel die gleiche Blatt- und Stielgrösse», erklärt Luca Bragazza.
«Die Torfmoore sind echte CO2-Senken, die eine noch nie dagewesene Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel besitzen. Ihr Verhalten steht beispielsweise im Gegensatz zu jenem der Weiden, obwohl diese über eine grössere Biodiversität verfügen. Auf den Wiesen gefährden die Klimaschwankungen die Heuproduktion und können deren Ökosystem dauerhaft beeinträchtigen», legt Alexandre Buttler dar. Für seinen Kollegen Luca Bragazza belegt die Untersuchung, wie wichtig es ist, die Torfmoore zu bewahren: «Ihre Fähigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen und somit die CO2-Speicherung fortzusetzen, hängt davon ab, dass ihre Arten sich von einem Torfmoor zum anderen fortbewegen können, um die funktionale Redundanz zu gewährleisten. Diese Forschungsarbeit unterstreicht erneut die Wichtigkeit, die Biodiversität der Torfmoore zu bewahren und ihre Isolation zu vermeiden.»
Die grossen, in den Torfmooren quer durch Europa erhobenen Datenmengen werden als Grundlage weiterer Forschungsprojekte dienen, verkünden die Autoren der Studie. So sind vergleichende Analysen über die mikrobielle Zusammensetzung der Torfmoore oder die höchsten Widerstandsstufen ihrer Ökosysteme vorgesehen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, mehr über ihre erstaunlichen Eigenschaften zu erfahren.
Diese Studie ist Teil des europäischen Forschungsprojekts BiodivERsA-PEATBOG, das sich mit den Torfmooren befasst und von verschiedenen Universitäten unterstützt wurde, darunter die EPFL und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.
Das Labor für Okologische Systeme ECOS ist seit 20023 ein Joint Venture von EPFL und WSL.
Kontakt ¶
Links und Dokumente ¶
Bjorn J. M. Robroek, Vincent E. J. Jassey, Richard J. Payne, Magalí Martí, Luca Bragazza, Albert Bleeker, Alexandre Buttler, Simon J. M. Caporn, Nancy B. Dise, Jens Kattge, Katarzyna Zając, Bo H. Svensson, Jasper van Ruijven, Jos T. A. Verhoeven. “Taxonomic and functional turnover are decoupled in European peat bogs”, Nature Communications, 27 octobre 2017, doi:10.1038/s41467-017-01350-5.
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