Vom Winde verweht: Wind baut Schneekristalle um – und Klimamodelle

Versuche des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF im Windkanal zeigen, wie sich Schneekristalle im Wind verändern. Die Erkenntnisse könnten Klimaforschende zwingen, ihre Modelle anzupassen – insbesondere in den Polarregionen, wo Schneeverfrachtung durch starke Winde weit verbreitet ist.

Wenn der Wind Schneeflocken herumwirbelt, formt er die Eiskristalle nicht nur mechanisch um, indem er sie zerkrümelt und zerreibt. Das Wasser wechselt auch zwischen fester und gasförmiger Form hin und her, wie Experimente im Windkanal aufzeigten. Ein Teil des Schnees geht von der festen in die gasförmige Phase über und gelangt so in die Atmosphäre zurück, ein Prozess namens Sublimation. Bei besonders starkem Schneetreiben kann es jedoch auch zur sogenannten Resublimation kommen: Schneekristalle nehmen den Wasserdampf aus der Umgebung wieder auf und wachsen.

Dieses Hin und Her hinterlässt eine Spur, nämlich in der Zusammensetzung der Wasserisotope in den Kristallen. Das sind unterschiedlich schwere Formen der Wassermoleküle, die die Forschenden nachweisen können. Festes, flüssiges oder gasförmiges Wasser enthält unterschiedliche Mengen von schweren und leichten Isotopen. Wenn sich also Eiskristalle in Gas auflösen oder neu bilden, verändert sich das Verhältnis von schweren zu leichten Isotopen, was die Forschenden Fraktionierung nennen. Isotope haben sich in der Analyse von allen möglichen Prozessen im hydrologischen Kreislauf und auch im atmosphärischen Wasserkreislauf bewährt.

Klimaspur in Eisbohrkernen

Diese neue Erkenntnis hat Folgen für die Interpretation von Eisbohrkernen und für globale Klimamodelle, berichten SLF-Forschende nun im Fachjournal The Cryosphere. Das Eis in Bohrkernen aus dem Polareis ist Hunderttausende Jahre alt. Mit Isotopenanalysen rekonstruieren Klimaforschende, die Temperaturen der Vergangenheit und integrieren sie in ihre Klimamodelle. Daraus hoffen sie, etwas über unsere klimatische Zukunft zu lernen. Bisher gingen sie davon aus, dass die Isotopenzusammensetzung in Eisbohrkernen direkt die historische Temperatur zum Zeitpunkt des Schneefalls widerspiegelt. Die neue Entdeckung könnte diese Annahme infrage stellen, weil die Sublimationsprozesse die Isotopenverhältnisse verändern.

Die grössten Wasserspeicher der Erde sind die Eiskappen an den Polen. Dass der Wind dort riesige Mengen von Schnee nicht nur verlagert, sondern durch Sublimation und Resublimation zwischen Boden und Atmosphäre umlagert, hat einen grossen Einfluss auf die Wasserbilanz der Eismassen. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, Vorhersagen über den Wasseraustausch und damit über das Klima in polaren Regionen zu verbessern. Deshalb planen die Forschenden nun, das neu entdeckte Phänomen tiefergehend zu untersuchen und in Klimamodelle zu integrieren.

Was sind … Isotope?

Isotope, so heissen unterschiedlich schwere Atome des gleichen Elements. Sie unterscheiden sich in der Zahl der Neutronen im Atomkern. Chemisch betrachtet verhalten sich Isotope eines Elements in der Regel gleich oder zumindest ähnlich. Ihre physikalischen Eigenschaften hingegen unterscheiden sich. So sind beispielsweise nicht einmal zehn Prozent der mehr als 3000 Isotope stabil, sondern zerfallen radioaktiv.

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