Waldleistungen sollten bei Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stärker berücksichtigt werden

Die Wirtschaft soll nachhaltiger und ressourcenschonender werden. Das wird auch die Ansprüche an die Wälder steigern – beispielsweise als Kohlenstoff-Speicher oder Energieholz-Lieferant. Deshalb haben im Nationalen Forschungsprogramm «Nachhaltige Wirtschaft» (NFP 73), das heute abgeschlossen wurde, vier Forschende der Eidg. Forschungsanstalt WSL die mögliche Zukunft für die Waldwirtschaft untersucht.

Wälder produzieren Holz, mildern den Klimawandel, schützen vor Naturgefahren, filtern Wasser, erhalten den Boden und bieten Erholungsmöglichkeiten. Sie sind wichtige Lebensräume und tragen zur Ästhetik der Landschaft bei. Diese Ökosystemleistungen stehen oft gratis zur Verfügung, auch wenn es etwas kostet, sie bereitzustellen. Vor allem aber können Wälder nicht alle Leistungen unbegrenzt und gleichzeitig erbringen.

Der Trend hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft (siehe Medienmitteilung SNF zum Abschluss des NFP 73) und Energieversorgung aber auch die Klima- und Biodiversitätskrise werden die Nachfrage nach Waldleistungen noch erhöhen. Ausserdem stehen die Ansprüche an den Wald oft in Konflikt miteinander, wie zum Beispiel die häufige Kritik an der Holzernte in Naherholungswäldern deutlich macht.

Waldleistungen (an)erkennen

Im Rahmen des Forschungsprogramms «Nachhaltige Wirtschaft» (NFP 73) haben vier Forschende der WSL mögliche Lösungsansätze für die Waldwirtschaft untersucht. Der WSL-Umweltökonom Roland Olschewski wollte herausfinden, ob Nutzniessende von verbesserten Schutzleistungen des Waldes bereit wären, etwas dafür zu bezahlen. Eine Bevölkerungsumfrage in Berggebieten ergab eine zum Teil hohe Zahlungsbereitschaft für eine zusätzliche Waldbewirtschaftung, die den Naturgefahrenschutz – über das gesetzlich vorgeschriebene Mass hinaus – erhöht. Das zeigt, dass solche «Versicherungsprodukte» durchaus neue Einkommensquellen für Waldeigentümer erschliessen könnten. Die zentrale Herausforderung dabei ist, eine ausreichend grosse Gruppe von Akteuren zusammenzubringen, die sich an einer dauerhaften Bereitstellung und Finanzierung solcher zusätzlichen Schutzleistungen beteiligen.

Tamaki Ohmura und Tobias Schulz der Forschungsgruppe Umwelt- und Ressourcenökonomie erkundeten, welche Kompensationsleistungen Waldeigentümer gegen Entschädigung bereitstellen würden, etwa Naturschutzmassnahmen im Wald, die anstelle von Aufforstungen nach Waldrodungen umgesetzt werden. Dies ist vor allem für Besitzende von grossen Wäldern (z.B. Gemeinden) attraktiv; Privateigentümer kleiner Parzellen lehnten diese Art der Kompensation eher ab. Auch die Waldbewirtschaftung zur Speicherung von Kohlenstoff stösst eher auf Skepsis im Vergleich zu Klimaschutzmassnahmen, die fossile Materialien substituieren können (Bauholz, Energieholz). Die beiden WSL-Forschenden schliessen daraus, dass die Waldeigentümer nur begrenzt dazu bereit sind, Kompensationsansprüche anderer Sektoren zu erfüllen, insbesondere nicht auf Kosten der Holzproduktion.

An einer praktischen Lösung für Waldbewirtschaftende arbeitete Esther Thürig, Leiterin der WSL-Gruppe Ressourcenanalyse: Sie hat einen Prototyp einer Entscheidungshilfe entwickelt, die den Bedarf an Waldleistungen und entsprechende Konflikte für verschiedene Bewirtschaftungen simuliert. Damit können Auswirkungen auf Waldleistungen schon vor der Ernte demonstriert und die Priorisierung verschiedener Leistungen vereinfacht werden. Das Modell zeigt unter anderem auf, dass es in den meisten Fällen ganz ohne Bewirtschaftung tendenziell weniger Waldleistungen gibt als mit.

Waldleistungen bei Entscheidungen berücksichtigen

Die Resultate zeigen, vor welche schwierigen Entscheide die Waldbewirtschaftenden gestellt werden, angesichts der zunehmenden Ansprüche einer nachhaltigen Wirtschaft und bei gleichzeitiger Unsicherheit aufgrund des Klimawandels.

Damit der Waldsektor ein wichtiger und erfolgreicher Teil einer nachhaltigen Wirtschaft sein kann, sollten Waldleistungen bei Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stärker berücksichtigt werden, betonen die Forschenden in einer Stellungnahme für die Politik (Policy Brief). Das Bewusstsein in der Öffentlichkeit, aber auch der Politik und teilweise bei der Waldwirtschaft selbst müsse gefördert werden bezüglich der verschiedenen Waldleistungen, der Kosten ihrer Bereitstellung sowie möglicher Konflikte. Da Waldleistungen teilweise in Konkurrenz zueinander stehen, seien klare Ziele und Prioritäten zu setzen, wo der Wald welche Leistungen am besten erfüllen soll. Dazu braucht es auch zielgerichtete politische Instrumente, die Subventionen oder Anreizsysteme einschliessen können, damit die Waldleistungen zur rechten Zeit am rechten Ort und in der gewünschten Menge zur Verfügung stehen.

Über das NFP 73

Das Nationale Forschungsprogramm « Nachhaltige Wirtschaft » (NFP 73) wurde vom Bundesrat Mitte 2017 mit einem Gesamtbudget von 20 Millionen Franken für eine Forschungsdauer von fünf Jahren lanciert. Finanziert werden 29 Forschungsprojekte in Themenbereichen wie Kreislaufwirtschaft, Finanzwesen, Bauwesen, Städte und Mobilität, Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung, Lieferketten, nachhaltiges Verhalten und Gouvernanz. Ziel des NFP 73 ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse über eine nachhaltige Wirtschaft zu gewinnen, die sparsam mit natürlichen Ressourcen umgeht, Wohlstand schafft und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz stärkt.

Die WSL beteiligte sich mit drei Projekten:


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