Wie Natur- und Hochwasserschutz unter einen Hut passen

Naturnahe Fliessgewässer gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Schweiz. Kiesbänke und Auenwälder verändern sich bei jedem Hochwasser. Hier lebende Organismen sind bestens daran angepasst – sie brauchen sogar die regelmässige Neugestaltung durch den Fluss um sich zu verbreiten, zu vernetzen und stärker wachsende Konkurrenten loszuwerden. Der Mensch hat jedoch diese natürliche Dynamik vielerorts ausgeschaltet, sei es für den Hochwasserschutz oder für die Energiegewinnung. Nun müssen die Kantone die Flusslandschaften wieder naturnaher machen, so sieht es das 2011 revidierte Gewässerschutzgesetz vor.

Wie sich dabei Naturschutz und Hochwasserschutz vereinen lassen, untersuchten Ökologen und Wasserbauingenieure verschiedenster Schweizer Institutionen im Forschungsprogramm «Wasserbau und Ökologie». Ihre Resultate sind nun im Bericht «Lebensraum Gewässer – Sedimentdynamik und Vernetzung» in der Reihe «Umwelt Wissen» des BAFU erschienen.

Beitrag der WSL: Wie Modelle helfen

Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL hat zwei der neun Kapitel beigesteuert:

Kapitel 1: Das WSL-Forschungsteam zeigt auf, wie ökologische Modelle die Planung von Fluss-Renaturierungen erleichtern. Sie helfen Planerinnen und Planern dabei, Flussabschnitte zu identifizieren, wo bestimmte zu fördernde Arten am wahrscheinlichsten vorkommen. Und das ohne teure Erhebungen der Artenvielfalt vor Ort. Die Modelle ermöglichen zudem eine Prognose, welche Gebiete anhand ihres ökologischen Fingerabdrucks für möglichst viele Arten geeignet sind. Auch die Klimazukunft lässt sich mitplanen. So kann die Planung auf grossflächiger Skala entlang von Einzugsgebieten stattfinden und die lebenswichtige Vernetzung der Lebensräume entlang der Flüsse zügig vorantreiben. Denn die Renaturierung der Schweizer Flüsse kommt nicht in dem Tempo voran, das nötig wäre, um die vom Gesetz verlangten 4000 Kilometer verbauter Flüsse bis 2090 naturnah zu gestalten.

Kapitel 2: Modellierung kann auch auf lokaler Ebene Sinn machen. Die WSL-Forschenden setzen gemeinsam mit Wasserbauern der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) an der ETH Zürich hydrodynamische Modelle ein, mit denen sich die Überflutung und Umwälzung der Fluss-Sedimente bei Hochwasser simulieren lässt. Denn das Wasser schafft potenzielle Standorte für typische Pionier-Arten, die Kiesbänke als Erste besiedeln. Als Beispiel diente die Deutsche Tamariske (Myricaria germanica) im Fluss Moesa im Misox (GR). Dieser kleine, auf Kiesbänken wachsende Strauch ist auf wiederkehrende Überflutungen angewiesen, sonst verdrängen ihn schneller wachsende Weiden. Tatsächlich fanden sich Keimlinge der Pflanzen an den meisten der Stellen, die das Modell vorhergesagt hatte. Die Tamariske ist eine Zeigerart, sie steht also stellvertretend für andere zu schützende Organismen, die auf Kiesbänken leben. Das Modell kann nicht nur potenzielle Standorte vorhersagen, sondern auch für die Erfolgskontrolle von Lebensraum-Aufwertungen dienen.

Das Forschungsprojekt «Lebensraum Gewässer – Sedimentdynamik und Vernetzung. 2017-2022» war ein gemeinsames Projekt des BAFU und der Forschungsinstitutionen WSL, Eawag, EPFL und ETH Zürich sowie von Fachleuten aus der Praxis – aus Kantonen, privaten Büros und Nichtregierungsorganisationen.


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