Das Gletschereismikrobiom

Gletschereis ist ein wichtiges Reservoir für Bakterien und Viren. Manche dieser Mikroorganismen waren für Jahrhunderte oder Jahrtausende im Eis eingeschlossen und gelangen nun durch den fortschreitenden Klimawandel wieder in die Umwelt. Die mikrobielle Vielfalt der Schweizer Gletscher sowie deren Aktivität und Infektiösität ist bis dato noch grösstenteils unerforscht. Mittels modernster DNA Sequenziermethoden können nun neue Erkentnisse über die zukünftige Entwicklung der Biodiversität im Alpenraum gezogen werden.

Um die mikrobielle Vielfalt der Schweizer Gletscher besser zu verstehen, werden entlang eines Ost-West Transekts Gletscher beprobt. Sowohl Schmelzwasser als auch Eisproben werden im Labor analysiert um eine Übersicht der bakteriellen und viralen Organismen sowie deren Gemeinschaften zu erhalten.

Gletscher stellen zudem eine einzigartige Möglichkeit dar, die Evolution von Phagen (Viren die Bakterien infizieren) zu beobachten. Eisproben unterschiedlichen Alters eines Gletschers bieten einen Einblick in die Geschichte von Phagen über Jahrhunderte bis Jahrtausende hinweg. Dies erlaubt uns das Zusammenspiel von Bakterien und Viren zu untersuchen und Aussagen über die zukünftigen Auswirkungen der Gletscherschmelze auf die mikrobielle Biodiversität in den Schweizer Alpen zu treffen.

Ein Grossteil der Viren weltweit haben sich auf Bakterien als Wirtszellen spezialisiert (Bakteriophagen). Somit sind sie ein massgeblicher Regulator bakterieller Populationen und spielen auch im Gletscher-Ökosystem eine wichtige Rolle. Durch die jahrelange Anpassung auf das 'Leben' im Eis, ist unklar ob diese Bakteriophagen auch nach der Gletscherschmelze noch infektiös bleiben. Um dies zu prüfen können Bakteriophagen aus Gletscherproben angereichert und ihr Infektionspotenzial im Labor getestet werden.

Häufig gestellte Fragen

  • Besteht eine Gefahr durch potenzielle Krankheitserreger aus dem Eis?
    Obschon die Möglichkeit besteht, dass pathogene Mikroorganismen in Gletschern und Permafrost überdauern, schätzen wir das Risiko einer potenziellen Pandemie aus dem Eis als sehr gering ein. Die Organismen haben sich an ihren speziellen Lebensraum sehr gut angepasst. Wenn sie jetzt mit dem Eis auftauen, können sie kaum in der neuen Umwelt überleben – zum einen wegen der Temperaturen, zum anderen, weil sie, im Fall der Viren, ganz neue Wirte, also tierische, menschliche oder pflanzliche Zellen, erobern müssten. Bis anhin wurden in den Schweizer Alpen auch keine infektiösen Erreger aus Permafrost oder schmelzenden Gletscher entdeckt.

Projekte

Der schnell voranschreitende Klimawandel in den Schweizer Alpen treibt den Gletscherschwund an und taut Permafrost auf. Wir erforschen die Auswirkungen dieser drastischen Veränderungen auf die alpine Biodiversität.

Langfristige Klimaexperimente zur Untersuchung der Reaktionen des alpinen Bodenmikrobioms und Bodenfunktionen auf den Klimawandel.

Die kalten Lebensräume unserer Schweizer Alpen und der Arktis befinden sich in einem Wandel und drohen zukünftig ganz oder teilweise zu verschwinden. Mit ihnen verschwinden auch eine noch kaum erforschte Vielfalt an Mikroorganismen, die sich ans Leben an vermeintlich lebensfeindlichen Orten angepasst haben. Durch die Kryokonservation von Mikroorganismen ebendieser Lebensräume kann ein Teil der heutigen Biodiversität in Biobanken erhalten bleiben.

Wir erforschen den Permafrost als Refugium für mikrobielle Lebensformen in den drei Polen (Alpen, Arktis, Antarktis). Diese Organismen leben Tausende von Jahren im Permafrost und Eis. Was passiert mit ihnen, wenn sie durch die Klimaerwärmung aus ihrem „Dornröschenschlaf“ geweckt werden?

Die weltweite Plastikverschmutzung ist zu einem dringenden Problem geworden, das die Umwelt und das menschliche Wohlergehen bedroht. Selbst sehr abgelegene Regionen in der Arktis und in den Alpen sind mit Mikroplastik verschmutzt. Plastik abbauende Mikroorganismen und ihre Enzyme könnten dazu beitragen, das Plastikrecycling nachhaltiger zu gestalten.

Publikationen

Feng M., Robinson S., Qi W., Edwards A., Stierli B., van der Heijden M., … Varliero G. (2024) Microbial genetic potential differs among cryospheric habitats of the Damma glacier. Microb. Genom. 10(10), 001301 (17 pp.). https://doi.org/10.1099/mgen.0.001301Institutional Repository DORA

Varliero G., Lebre P.H., Frey B., Fountain A.G., Anesio A.M., Cowan D.A. (2023) Glacial water: a dynamic microbial medium. Microorganisms. 11(5), 1153 (24 pp.). https://doi.org/10.3390/microorganisms11051153Institutional Repository DORA

Donhauser J., Niklaus P.A., Rousk J., Larose C., Frey B. (2020) Temperatures beyond the community optimum promote the dominance of heat-adapted, fast growing and stress resistant bacteria in alpine soils. Soil Biol. Biochem. 148, 107873 (16 pp.). https://doi.org/10.1016/j.soilbio.2020.107873Institutional Repository DORA

Donhauser J., Frey B. (2018) Alpine soil microbial ecology in a changing world. FEMS Microbiol. Ecol. 94(9), 099 (34 pp.). https://doi.org/10.1093/femsec/fiy099Institutional Repository DORA

Rime T., Hartmann M., Frey B. (2016) Potential sources of microbial colonizers in an initial soil ecosystem after retreat of an alpine glacier. ISME J. 10(7), 1625-1641. https://doi.org/10.1038/ismej.2015.238 Institutional Repository DORA

Rime T., Hartmann M., Brunner I., Widmer F., Zeyer J., Frey B. (2015) Vertical distribution of the soil microbiota along a successional gradient in a glacier forefield. Mol. Ecol. 24(5), 1091-1108. https://doi.org/10.1111/mec.13051 Institutional Repository DORA

Zumsteg A., Luster J., Göransson H., Smittenberg R.H., Brunner I., Bernasconi S.M., … Frey B. (2012) Bacterial, archaeal and fungal succession in the forefield of a receding glacier. Microb. Ecol. 63(3), 552-564. https://doi.org/10.1007/s00248-011-9991-8 Institutional Repository DORA

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