15.01.2020 | Logbuch
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Mitte Dezember fand ein «Schichtwechsel» auf der Polarstern statt: Die Teilnehmenden der zweiten Etappe der MOSAiC-Expedition erreichten das Schiff, um die Teilnehmenden der ersten Etappe abzulösen. Mit dabei sind Martin Schneebeli und Matthias Jaggi vom SLF, denen nun die dunkelste und kälteste Zeit bevorsteht. Licht und Wärme brachten jedoch die Weihnachtstage und der Jahreswechsel, die an Bord der Polarstern gebührend gefeiert wurden.
Inzwischen haben wir den siebenundachtzigsten Breitengrad überquert und sind auf direktem Kurs zum Nordpol. Das kann sich allerdings wieder ändern, denn der Weg unserer Eisscholle macht öfters unerwartete Schlaufen.
Die Weihnachtstage waren insofern besonders, als wir Zeit hatten, mit allen auf dem Schiff über andere Dinge als die Arbeit zu sprechen. Festtagsansprachen, Empfang im «Blauen Salon», ein gutes Nachtessen (wobei zu sagen ist, dass wir eigentlich immer abwechslungsreiches Essen haben) und ein Geschenk aus dem Sack des «Weihnachtsmanns» fischen waren besondere Höhepunkte. Wir hatten alle ein bis zwei Geschenke zum Tauschen mitgebracht. Matthias und ich konnten endlich auch das Weihnachtsgeschenk von unseren Davoser Kolleginnen öffnen und Kartengrüsse an die Wand hängen.
Leuchtraketen zu Silvester
Zum Jahreswechsel war das besondere Ereignis der offizielle Apéro auf der Schiffsbrücke, die zu diesem Anlass in rötliches Licht getaucht war, und nicht in Dämmerlicht wie sonst. Die Schiffsbrücke, von wo aus da Schiff navigiert wird, ist meistens ein sehr ernsthafter und ruhiger Ort, und der Stimmungswechsel war überraschend und feierlich. Wir stiessen auf das neue Jahr an, mit Ausblick auf die weisse Weite, und auf dem Helikopterdeck wurden einige Leuchtraketen gezündet. Es war eine freudige Stimmung mit allen anzustossen und viel Glück im neuen Jahr zu wünschen.
Ungewöhnliche Strukturen im Schnee
Nun ist es ja so, dass wir nicht zum Feiern auf der Expedition sind, sondern zum Forschen. Deshalb konnte ich die freien Morgen vor den Festtagen gut nutzen, um die Schneemessungen etwas näher anzusehen, die wir hier mit dem Computertomographen machen. Dabei entdeckte ich eine ganz ungewöhnliche Schneestruktur, eingeschneite Windrippel. Diese sehen im Querschnitt sehr speziell aus, unregelmässig angeordnete Dreiecke mit ganz feinkörnigem dichtem Schnee und dazwischen locker verteilte kantige Kristalle.
Auch Neujahr hielt dann eine spannende tomographische Überraschung bereit: Im Tiefenreif in den unteren Zentimetern über dem Eis entdeckte ich Salzeinschlüsse. Wie diese dort hineinkommen, werden wir nun weiterverfolgen, indem wir an derselben Stelle weitere Proben entnehmen. Es ist wirklich ein grosser Vorteil bei dieser Expedition, dass man solche Entdeckungen nicht nur einmalig beobachten sondern über einen längeren Zeitraum verfolgen kann.
Arbeiten im Dunkeln und bei eisigen Temperaturen
Während den Festtagen fielen die Temperaturen unter -30 Grad bei recht starkem Wind, womit unsere Arbeit und auch jene der Crew noch etwas komplizierter wurde. Bei -30 Grad kann der grosse Kran nicht mehr in Betrieb genommen werden, und somit können schwere Instrumente nicht mehr zur Reparatur an Bord gehievt werden. Und wir «Schneeleute» dürfen beim Arbeiten draussen nichts mehr mit blossen Händen anfassen, denn an Metall würde die Haut in wenigen Sekunden gefrieren. Obwohl unsere Instrumente fast immer mit Handschuhen bedienbar sind, gehen halt einige Dinge schneller mit blossen Händen.
Obwohl wir uns in ständiger Dunkelheit bewegen müssen, kennen wir uns inzwischen auf unseren Schneefeldern bestens aus, auf denen wir die Messungen machen. Auf alle Fälle meistens, denn gerade heute haben sich auf der Fahrt zur «Dark Site» wieder neue Eisrinnen und Presseisrücken gebildet. In der «Dark Site», etwa zwei Kilometer vom Schiff entfernt, werden Eiskerne für biologische Untersuchungen gebohrt. Der Weg dorthin musste nun wieder etwas angepasst werden. Es ist eindrücklich, wie Eisschollen von einem Meter Dicke und mehreren Quadratmetern Grösse bis zu 5 Meter hoch zusammengeschoben wurden. Solche Ereignisse sind nicht lokal, sondern gehen meistens über viele Kilometer und lassen sich im Nachhinein eindrücklich auf den Schiffsradar sehen.
Es wird uns somit nicht langweilig, und wir warten gespannt, was die nächsten Tage und Wochen bringen werden.