Gletscherschwund setzt sich unvermindert fort

Auch im Sommer 2020 nimmt das Volumen der Schweizer Gletscher weiter ab. Obwohl es kein Extremjahr ist, bleibt der Rückgang massiv und verändert das Bild der Alpen nachhaltig. Seit 1960 haben Schweizer Gletscher so viel Wasser verloren, dass sich damit der Bodensee füllen liesse. In tiefen Lagen gab es im Winter 2019/20 aufgrund der Wärme verbreitet so wenig Schnee wie noch nie. Dies berichtet die Expertenkommission für Kryosphärenmessnetze der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz.

Im letzten Jahrzehnt war die Gletscherschmelze stärker denn je seit Beginn der Beobachtungen. Auch 2020 setzt sich der Verlust fort, ist aber dank einem etwas weniger heissen Sommer nicht in der ganzen Schweiz gleich dramatisch. Auf den Gletschern lagen Anfang Mai Schneemengen, die etwa dem Mittel der letzten 10 Jahre entsprachen. Die Ausaperung der Gletscherzungen begann allerdings früh und die Schmelze erreichte dort sehr hohe Werte. Im Nährgebiet des Grossen Aletschgletschers beim Jungfraujoch wurde im September 2020 die geringste Schneehöhe seit Messbeginn vor 100 Jahren gemessen. Verglichen mit den Jahren 2017-2019 war die Situation bei den meisten Gletschern allerdings etwas weniger gravierend. Trotzdem gingen schweizweit während der letzten 12 Monate wiederum fast 2 Prozent des gesamten Gletschervolumens verloren – der negative Trend hält weiter an.

Der Gletscherrückgang verändert das Landschaftsbild

Die Messung der Winter-Schneemenge und Schmelze auf über 20 Gletschern in allen Landesteilen zeigt deutliche Unterschiede in den Verlusten auf. Während tiefliegende, flache Gletscher (z.B. Glacier de Tsanfleuron, VS) eine mittlere Reduktion der Eisdicke von 2 Metern verzeichneten, verloren Gletscher in den hohen Lagen des südlichen Wallis sowie im Tessin und Engadin (z.B. Findelgletscher, Ghiacciaio del Basòdino) nur rund 0.5 Meter an Dicke. Dort ist dies ist auf viel Schnee im Frühwinter und Schneefällen im Sommer zurückzuführen.
Seit 1960 haben Schweizer Gletscher so viel Wasser verloren, dass sich damit der Bodensee füllen liesse. Dies hat das Landschaftsbild in den Alpen massgeblich verändert – Gletscher-Vorfelder wachsen an und neue Bergseen entstehen. Einzelne kleine Gletscher mussten aufgrund ihres Zerfalls aus dem Messnetz gestrichen werden (z.B. Vadret dal Corvatsch, GR). Durch den Gletscherrückgang entstehen zudem Gefahren, wie sie eindrücklich durch den Eisabbruch am Turtmanngletscher, VS und die Entleerung des Gletschersees auf der Plaine Morte, BE illustriert wurden.

Extrem schneearmer Winter in tiefen Lagen

Mit starken Schneefällen Anfang November 2019 erfolgte das Einschneien im Gebirge rund zwei Wochen früher als normal. Am Alpensüdhang wurden teilweise neue November-Höchstwerte der Neuschneesummen verzeichnet. Die Temperatur in den Wintermonaten Dezember bis Februar war mit einem Plus von über 3°C rekordhoch. Auch der Frühling war deutlich zu warm und von viel Sonnenschein geprägt. Damit fielen unterhalb von 1000 Metern die Niederschläge während des ganzen Winterhalbjahres grösstenteils als Regen – der wenige Schnee blieb höchstens ein paar Stunden oder Tage liegen. In diesem Höhenbereich kam es daher zum schneeärmsten Winter seit Messbeginn, vor den Wintern 1989/90 und 2006/07. An den tief gelegenen Innerschweizer Stationen Altdorf, Stans und Luzern (Messbeginn 1883) konnte erstmals gar kein Neuschnee registriert werden. Zwischen 1000-1700 m.ü.M. waren die Schneehöhen fast überall zwischen 10-90 Prozent tiefer als im Mittel von 1981-2010. Oberhalb 1700 Metern waren die Schneehöhen durchschnittlich, im Nordtessin und im südlichen Wallis teilweise überdurchschnittlich.

Warmer Sommer mit einzelnen Schneefällen in den Alpen

Im Juni verzögerten Schneefälle den bereits fortgeschrittenen Schneedeckenabbau in hohen Lagen. Mit Ausnahme der Stationen im südlichen Wallis geschah die Ausaperung aber trotzdem 1-4 Wochen früher als normal. Die Monate Juli bis September waren einmal mehr durch überdurchschnittliche Temperaturen geprägt. Im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren gab es jedoch bereits im August zweimal Schnee bis auf 2000 Meter. Ende September fiel die Schneefallgrenze auf der Alpennordseite teilweise bis unter 1000 Meter. Darüber wurden 20-30 cm Neuschnee registriert, was für diese Jahreszeit aussergewöhnlich ist.

Das Schweizer Gletschermessnetz (GLAMOS) wird finanziert durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz im Rahmen von GCOS Schweiz, die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz und swisstopo. Der Leiter, Glaziologe Matthias Huss, arbeitet an der WSL.

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Setzen eines Messpegels auf dem Konkordiaplatz, Grosser Aletschgletscher (VS), unmittelbar über dem dicksten Eis der Alpen. (Foto: M. Huss, WSL)
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Grosse Schmelzwasser-Bäche sind auf dem Findelgletscher (VS) im September auf über 3000 m.ü.M. anzutreffen. (Foto: M. Huss, WSL)
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Seit Jahren verliert der Griesgletscher (VS) so schnell an Masse wie kaum ein anderer Gletscher in der Schweiz. Seine Zunge ist dünn und dreckig geworden, was die Schmelze weiter beschleunigt. (Foto: M. Huss, WSL)
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Im Gegensatz zu anderen Gletschern, hatte der Rhonegletscher (VS) auch in diesem Jahr ein Nährgebiet (Winterschnee überdauerte den ganzen Sommer) – dieses ist aber deutlich zu klein, um den Gletscher im Gleichgewicht zu halten. (Foto: M. Huss, WSL)
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Messungen im Nährgebiet des Rhonegletschers (VS). (Foto: M. Huss, WSL)
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Die Messungen an den kümmerlichen und stark von Geröll bedeckten Resten des Schwarzwasserfirns (UR) mussten eingestellt werden. (Foto: M. Huss, WSL)

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