Wenn ein Fluss schneller schmilzt als erwartet: Zwei Wochen auf dem Sävarån Fluss

Wenn gefrorene Flüsse im Frühjahr aufbrechen, können Eis und Wasser die Flusskanäle umgestalten und ernsthafte Risiken für die nahe gelegene Infrastruktur mit sich bringen. Auch der Sedimenttransport, die Erosionsmuster und die Uferstabilität des Flusses können sich verändern. In Zusammenarbeit mit der Universität Umeå verlegte ein Team der WSL ein Glasfaserkabel auf Flusseis in Nordschweden, um herauszufinden, ob sich der Eisaufbruch vorhersagen lässt. Im WSL-Logbuch berichtet WSL-Doktorandin Jiahui Kang, wie das funktioniert hat - und dass die Dinge manchmal schneller als erwartet passieren.

Wir kamen am 25. März am Ufer Sävarån in der Nähe von Umeå an. Unser Ziel war es, mit eine Methode namens Distributed Acoustic Sensing (DAS) den Prozess des aufbrechenden Flusseises im Frühjahr zu erfassen. Dabei dient ein gewöhnliches Glasfaserkabel als engmaschiges Netz seismischer Sensoren. Es registriert selbst kleinste Verformungen entlang der gesamten Kabellänge – etwa durch elastische Wellen, Druck oder Zug.

Es ist eine ehrgeizige Idee, ein Glasfaserkabel direkt auf der Eisoberfläche zu verlegen, während die Natur weiter ihren Lauf nimmt. Wir wussten nicht genau, was passieren würde, wenn das Eis schmilzt. Zu dem Zeitpunkt ahnten wir auch nicht, wie schnell dies geschehen würde.

Seit Jahresbeginn erlebt Nordschweden den wärmsten Winter seit über zehn Jahren. Wir befürchteten daher, dass der Aufbruch des Eises, der üblicherweise Ende April eintritt, zu früh kommen könnte. Doch zu unserer Erleichterung war der Fluss bei unserer Ankunft immer noch zugefroren. Perfekt für unser Vorhaben!

Gemütliches Hauptquartier

Mithilfe unserer Kollegen von der Universität Umeå mieteten wir eine kleine rote Hütte in der Nähe der Testfläche, die zu unserem Hauptquartier wurde. Die Hütte war warm, gemütlich und, ganz wichtig, die Stromquelle für unser DAS-System. Wir verbrachten zwei Tage damit, das Kabel auf dem Eis zu verlegen und Abhörtests durchzuführen. Dafür gingen wir entlang der Faser und stampften in bestimmten Abständen etwa zehn Mal auf das Eis neben der Faser, um die Datenqualität zu überprüfen. Am 27. März war dann alles fertig.

Die nächsten zwei Tage verbrachten wir mit Schneeschaufeln, was überraschend anstrengend war. Wir versuchten, einen möglichst grossen Teil des Kabels, das auf dem blanken Eis lag, mit Schnee zu bedecken. Damit wollten wir es vor der Sonne zu schützen und an Ort und Stelle gefroren halten.

Während der Datenaufzeichnung besuchten wir die Stelle täglich, um die Bedingungen zu überprüfen, in der Hoffnung, dass das Eis für eine längere Aufzeichnungsdauer stabil bleiben würde.

Dann wurde es dramatisch.

Schnelles Schmelzen und Kabelrettung

Am 31. März stellten wir fest, dass ein Teil des Kabels bereits in einem "See" auf der Eisfläche des Flusses schwamm. Am 1. April bemerkten wir, dass der obere Teil des Kabels grösstenteils im Fluss abgesunken war. Es hing dort – nur von einem Stück Eis gehalten – und war kurz davor, davongerissen zu werden.

Ab diesem Zeitpunkt beschleunigte sich die Schmelze wie in einem Zeitrafferfilm. Innerhalb von zwei Tagen verbreiterten sich die Risse, die Ränder wurden dünner, und bald sahen wir mehrere Eisschollen stromabwärts treiben. Und das nach nur einer Woche...

Als wir das Kabel einholten, schwamm der grösste Teil davon bereits im fliessenden Wasser des Flusses. Einige Abschnitte waren durch die Kraft der Strömung sogar abgerissen worden. Glücklicherweise hatten wir alle Kabelenden an Bäumen festgebunden. Das bewahrte uns davor, zu viele Kabelteile zu verlieren. Am Ende konnten wir den Grossteil wieder bergen.

Erfolg!

Trotz des frühen Endes war das Experiment ein Erfolg. In nur wenigen Tagen konnten wir hochauflösende DAS-Aufnahmen vom Aufbrechen des Flusseises machen. Und abgesehen von der wissenschaftlichen Datenerhebung war es ein beeindruckendes Erlebnis, eine solche Transformation der Natur aus nächster Nähe mitzuerleben. Wir haben ausserdem Elche, Rentiere und sogar Nordlichter gesehen!

Kurz zusammengefasst: Wir verbrachten eine Woche mit Aufbauarbeiten und täglicher Kontrolle der Bedingungen im kalten Norden Schwedens, gefolgt von einer intensiven Woche des Flussschmelzens und der Kabelrettung. Dabei sammelten wir wertvolle Daten, erlebten die Veränderung des Flusses hautnah und nahmen mehr Geschichten mit nach Hause, als wir je gedacht hätten.

Copyright

WSL und SLF stellen Bild- und Tonmaterial zur Verwendung im Rahmen von Pressebeiträgen im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung kostenfrei zur Verfügung. Eine Übernahme dieses Materials in Bild-, Ton- und/oder Videodatenbanken und ein Verkauf des Materials durch Dritte sind nicht gestattet.

×