Forschungsplan für das WSL-Forschungsprojekt:

Die gesellschaftliche Akzeptanz der Ausbreitung
wildlebender Grossraubtiere in der Schweiz

von FoKo WSL freigegeben am 18. 2. 1997

Marcel Hunziker

Inhalt
1 Projektdarstellung
2 Art der Durchführung
3 Verbreitung und Umsetzung der Resultate
Zusammenfassung
Zitierte Literatur



1 Projektdarstellung

1.1 Programmrahmen

1.1.1 Landschaftsökologie an der WSL: die Integration sozialwissenschaftlicher Untersuchungen

Ein wichtiges Ziel des Bereiches Landschaftsökologie ist es, wissenschaftliche Grundlagen zu erarbeiten, die für Massnahmen zur Sicherung, bzw. Förderung einer nachhaltigen Landschaftsentwicklung notwendig sind. Solche Massnahmen - auch wenn sie naturwissenschaftlich abgesichert sind - entfalten nur dann eine "nachhaltige" Wirkung, wenn sie von der (betroffenen) Bevölkerung akzeptiert oder sogar getragen werden (Lutz 1993). Bei fehlender Akzeptanz müssen daher die Gründe analysiert, das Potential für Akzeptanzverbesserungen abgeschätzt und adäquate Akzeptanzförderungsmassnahmen vorgeschlagen werden. An diesem Punkt setzen diverse Positionspapiere der WSL an (WSL-Vision 2000+, WSL-Evaluation), wenn sie eine verstärkte Berücksichtigung sozialwissenschaftlicher und ökonomischer Aspekte im Rahmen der naturwissenschaftlichen Forschung fordern. In der Gruppe Landschaftsentwicklung wird dieser Ansatz seit einigen Jahren mit Erfolg gepflegt (WSL-Projekte 4.92.775, 4.94.913, 4.95.988 und 4.96.1046). Mit Untersuchungen zur Beurteilung von Landschaftsveränderungen und Naturwaldphänomenen sowie zur Akzeptanz von Landschaftsschutzmassnahmen wurde bisher auf den gesellschaftlichen Umgang mit der Struktur der Landschaft fokussiert (Buchecker 1996; Güsewell et al. 1994; Hunziker 1992, 1995; Hunziker & Kienast subm.; Raba et al. 1996). Mit dem geplanten Projekt wird nun ein "Element" der Landschaft und damit der Landschaftsökologie aufgegriffen, das bis anhin an der WSL sozialwissenschaftlich nicht bearbeitet wurde: die wildlebenden Grossraubtiere. Ihre aktuell zunehmende Verbreitung wird aus der Sicht des Naturschutzes befürwortet, stösst jedoch in der Bevölkerung auf einigen Widerstand, weshalb ein Akzeptanzforschungsprojekt zu diesem Thema notwendig wird. Das geplante Projekt entspricht daher nicht nur ganz generell der WSL-Vision und -Evaluation, sondern auch einem aktuellen Bedürfnis aus der Praxis.

1.1.2 Wald/Wild-Forschung an der WSL

An der WSL wird derzeit ein Forschungs- und Umsetzungsprogramm "Wald, Wild und Mensch" aufgebaut. Darin sollen - neben Projekten in einem etwas breiteren Rahmen wie z.B. Konfliktanalysen - die Einflüsse pflanzenfressender Wildtiere auf die Vegetation von Wald und Landschaft untersucht werden. Beim Problem des Wildverbisses könnte die Anwesenheit freilebender Grossraubtiere künftig eine wichtige Rolle spielen, weil diese das "vegetationsrelevante" Verhalten der pflanzenfressenden Wildtiere u.U. entscheidend beeinflussen werden. Da sich das geplante Projekt gerade mit der Ausbreitung von Grossraubtieren beschäftigen wird, ist es auch in das interdisziplinäre und bereichsübergreifende Forschungs- und Umsetzungsprogramms "Wald, Wild und Mensch" der WSL integriert.

1.1.3 Integriertes Fuchsprojekt IFP

Ein Fokus wird in dem Projekt auf die Ausbreitung der Fuchspopulationen in urbanen Räumen gelegt, u.a. weil sich hier der Einfluss des Faktors "direkte Betroffenheit" auf die Akzeptanz unter besonders aufschlussreichen Bedingungen analysieren lässt: Die Städter sind plötzlich von einer Entwicklung betroffen, die normalerweise weit ab der Agglomerationen stattfindet und von ihnen dort vermutlich eher befürwortet wird.

Zur Problematik der urbanen Fuchsausbreitung besteht ein grossangelegtes, multidisziplinäres und von verschiedener Seite finanziertes Grossprojekt: das "Integrierte Fuchsprojekt" (IFP). Dieses befasst sich mit den Ursachen, den Gefahren und dem Monitoring der sich stark ausbreitenden urbanen Fuchspopulation sowie mit Oeffentlichkeitsarbeit. Das hier vorgestellte Akzeptanzforschungsprojekt ist als sozialwissenschaftliches Modul in das IFP integriert.

1.2 Problembeschreibung

In der Schweiz breiten sich gegenwärtig Populationen wildlebender Grossraubtierarten aus, bzw. ist eine solche Ausbreitung in nächster Zukunft zu erwarten: Ehemals heimische, ausgerottete Tierarten wandern wieder in die Schweiz ein - derzeit der Wolf, in einigen Jahren vielleicht auch der Bär -, oder wurden durch gezielte Aussetzungen wieder angesiedelt, wie es beim Luchs der Fall war (Meyer 1996; WWF Schweiz 1993). Hinzu kommt die Einwanderung und Aussetzung fremder Tierarten (die Bisamratte, bzw. der Waschbär). Die Ausbreitung dieser eher menschenscheuen Tiere erfolgt vornehmlich im ländlichen Raum. Relativ wenige Menschen sind also direkt davon betroffen. Aber auch die dichtbesiedelten städtischen Agglomerationen sind mit der Ausbreitung von wilden Raubtieren konfrontiert, ist es doch gerade der urbane Raum, in welchem in den letzten Jahren eine drastische Ausbreitung des bisher eher auf dem Land heimischen Fuchses erfolgte (Harris & Rayner 1986; Hotz et al. 1995).

Diese Entwicklungen mögen - mit Ausnahme der Aussetzung von "Exoten" - aus der Sicht des Naturschutzes grundsätzlich erwünscht sein (Estes 1996; Von Arx & Beer 1995). Bei der Bevölkerung stossen sie aber auch auf Widerstand (Boitani & Zimen 1979; Mutter 1996; WWF Schweiz 1994), denn gelegentlich fallen Nutz- und Haustiere den Raubtieren zum Opfer: Schafe und Ziegen dem Luchs und dem Wolf, Hühner, Hasen, Meerschweinchen usw. dem Fuchs. Dies bedeutet finanziellen Verlust für die Besitzer der Nutztiere (wird jedoch meist abgegolten) und ein schmerzliches "Naturerlebnis" beim Verlust des geliebten Haustiers. Neben diesen indirekten Bedrohungselementen existieren auch direkte Bedrohungen. So stellt der Fuchs als Träger lebensgefährlicher Zoonosen (Tollwut, Fuchsbandwurm) eine effektive Gefahr für den Menschen dar (Breitenmoser et al. 1995; Eckert et al. 1995), obschon das Ansteckungsrisiko als sehr gering beurteilt wird. Eine nur scheinbare, direkte Bedrohung für den Menschen geht vom Wolf aus: Jahrhunderte alte Überlieferungen, Sagen, Märchen (Rotkäppchen) sowie abenteuerliche Reiseberichte prägten das Bild des Wolfes als "natürlichen Feind" des Menschen, als "Menschenfresser" und damit als Symbol des Bösen an sich (Zimen 1978).

Der positiven Einschätzung von Seiten des Naturschutzes stehen also finanzielle und emotionale Verluste sowie rationale und irrationale Ängste gegenüber. Diese Situation wurde von Seiten des Naturschutzes erkannt und führte zu eigentlichen Image-Kampagnen zugunsten der Grossraubtiere. Damit solche Bestrebungen, die Akzeptanz der Raubtierausbreitung zu erhöhen, langfristig erfolgreich sein werden, braucht es wissenschaftliche Grundlagen über das Verhältnis der Bevölkerung zu diesen Raubtieren und deren Ausbreitung, die über das heute Vorhandene wesentlich hinaus gehen. So ist bis heute noch nicht bekannt, welcher Anteil der Bevölkerung der Raubtierausbreitung überhaupt negativ gegenübersteht. Sind es nur die "Betroffenen" oder auch weitere - "nicht-betroffene" - Bevölkerungsteile? Hier stellt sich zusätzlich die Frage, ob der "objektive" Betroffenheitsgrad für die Akzeptanz überhaupt entscheidend ist. Eher anzunehmen ist, dass der Betroffenheitsgrad individuell definiert wird. (Bsp.: Der vom Fuchsbandwurm "bedrohte" Städter fühlt sich u.U. genauso "betroffen" wie der Schafzüchter im Wallis.) Wichtig für die Ausrichtung von Massnahmen der Akzeptanzförderung ist auch die profunde Kenntnis der Gründe allfällig negativer Beurteilungen. (Bsp.: Wenn aus falschverstandenem "Tierschutz" an sich natürliche Erscheinungen verurteilt werden oder wenn irrationale Ängste auftreten sind andere Massnahmen erforderlich als bei Entrüstung über finanzielle Verluste.) Auch ist noch unbekannt, welche maximale Raubtierausbreitung von der Bevölkerung potentiell noch akzeptiert werden könnte, bzw. welches Ausmass der Raubtierausbreitung vorläufig trotz entsprechender Massnahmen keine Akzeptanz fände, wo also von Naturschutzseite die Bedürfnisse der Bevölkerung zu respektieren sind.

1.3 Ziele und Projektfragen

1.3.1 Strategische Ziele

• Mit dem Projekt sollen die wissenschaftlichen Grundlagen für eine optimale Gestaltung der Strategien zur Förderung der Raubtierakzeptanz erarbeitet werden.

• Die Ergebnisse sollen aufzeigen, welche gesellschaftlichen Bedürfnisse und sozialpsychologischen Grenzen vom "Raubtiermanagement" zu respektieren sind.

1.3.2 Operative Ziele

• Die aktuelle Akzeptanz (Anteile "akzeptierend" vs. "nicht akzeptierend") in der Wohnbevölkerung der Schweiz wird ermittelt.

• Die Gründe für Akzeptanz, bzw. Nicht-Akzeptanz werden analysiert.

• Es wird untersucht, welche maximale Raubtierausbreitung potentiell akzeptiert würde und daher nicht überschritten werden sollte.

• Geeignete Massnahmen der Akzeptanzförderung werden vorgeschlagen, exemplarisch durchgeführt und ihre Wirkung kontrolliert.

1.3.3 Projektfragen

• Wie wird die Ausbreitung wildlebender Raubtiere in der Schweiz von deren Wohnbevölkerung beurteilt (insbesondere: "erwünscht, bzw. akzeptiert" vs. "abgelehnt, bzw. nicht akzeptiert")?

• Worin gründet fehlende (bzw. vorhandene) Akzeptanz? Welchen Einfluss haben folgende Faktoren?

- indirekte Bedrohungsaspekte (z.B. finanziell, emotional)

- direkte - effektive sowie scheinbare - Bedrohungsaspekte (Zoonosen, Angriff auf Leib und Leben)

- affektive Zu-/Abneigungen zu bestimmten Tiergruppen ("herziger Fuchs", "böser Wolf" usw.)

- das individuelle Naturverständnis (z.B. "Natur ist überall und grundsätzlich akzeptiert" vs. "Natur wird speziellen Räumen zugewiesen und dort bewundert")

- die persönliche Naturerfahrung (Häufigkeit sowie Art und Weise des Naturkontaktes, -aufenthaltes usw.)?

• Welche maximale Ausbreitung der Raubtiere würde potentiell akzeptiert?

- Würde der heutige Zustand voraussichtlich akzeptiert, wenn dies mittels geeigneter Massnahmen gefördert würde?

- Würde sogar eine stärkere Präsenz von Raubtieren akzeptiert? Bis zu welchem Mass?

• Wie lässt sich die Akzeptanz fördern?

- Welche Inhalte sind zu vermitteln (Wissen, Erlebnisse, Mythen usw.)?

- Welche Massnahmen sind adäquat (Infomationsbroschüren vs. erlebnispädagogische Instrumente)?

- Welche Akteure sollten Massnahmen ergreifen (Staat, Naturschutzverband, Schule usw.)?

- Welche Medien eignen sich besonders (Fernsehen, Zeitungen, andere)?

• Zeigen sich bei der Beantwortung obiger Forschungsfragen Unterschiede aufgrund folgender Merkmale?

- jeweils involvierte Tiergruppe (Fuchs, Wolf, Luchs, andere)

- soziale Gruppe der Befragten, differenziert nach: Betroffenheitsgrad ("objektiver" sowie "subjektiv erlebter"), professioneller Perspektive (z.B. Schafzüchter vs. Naturschützer), Lebenssituation (z.B. Kinder vs. Erwachsene), Wohnsituation (z.B. Städter vs. Landbewohner), "üblichen" sozialstatistischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Bildung etc.), usw.

- Landesregion

- und spezielle Kombinationen dieser Merkmale, insbesondere: "Stadtfuchs aus der Sicht der Stadtbewohner" vs. "Wolf in der Schweiz aus der Sicht der Schweizer"

• Weitere Forschungsfragen können und sollen sich aus der induktiven Forschungsphase ergeben!

1.4 Stand der Kenntnisse

1.4.1 Eigene (vgl. Kap. 1.1.1)

Die Gruppe Landschaftsentwicklung führt seit Jahren sozialwissenschaftliche Untersuchungen zu landschaftsökologischen Themen durch, die mit wissenschaftlichen Publikationen erfolgreich abgeschlossen werden konnten (z.B. Hunziker 1992, 1995; Hunziker & Kienast subm.; Krüsi & Hunziker 1992). Zur Thematik der Akzeptanz von Natur- und Landschaftsschutzmassnahmen verfügt sie aufgrund von zwei (noch laufenden) Projekten über einschlägige Kenntnisse. So zeigt sich aufgrund des noch laufenden Projektes von M. Buchecker (4.94.913), dass mangelnde Akzeptanz von Landschaftsentwicklungsbestrebungen auf die verlorengegangene Identifikation mit dem Lebensraum zurückzuführen ist (Buchecker 1996). Bei den Untersuchungen von A. Schenk (4.96.1046) zeichnet sich ab, welch immense Bedeutung dem Zeitpunkt sowie der Art und Weise der Kontaktnahme mit den Betroffenen zukommt. Diese bisherigen Forschungsprojekte bilden den Erfahrungshintergrund, liefern wertvolle inhaltliche Impulse und garantieren das Vorhandensein des methodischen Know Hows bezüglich qualitativer und quantitativer Sozialforschung, was eine effiziente und erfolgreiche Durchführung des geplanten Projektes ermöglicht.

1.4.2 Literaturanalyse

Untersuchungen wie die hier geplante konnten in der Literatur kaum gefunden werden. Es existieren jedoch Artikel, welche einzelne Teile des geplanten Projektes stark betreffen; so z.B. jene Studien, in welchen die Einstellungen gegenüber bestimmten Tierarten erhoben wurden. Neben Studien zu Tierarten, die für die Schweiz irrelevant sind, wie etwa zum Koyoten (Stevens et al. 1994), bzw. in dieser Untersuchung nicht zentral behandelt werden, wie die Wirbellosen (Kellert 1993) und der Bär (Decker et al. 1981), existieren auch einige zu Wolf und Luchs, hingegen fast keine zum Fuchs.

Die Mehrheit der Wolfstudien stammen aus Nordamerika (incl. Kanada), wo Einstellungen der Bevölkerung gegenüber der Wolf-Ausbreitung (häufig aktive Wiederansiedlung) in verschiedenen Staaten und Regionen erhoben wurden: Michigan (Kellert 1991), Colorado (Pate et al. 1996), Yellowstone National Park (Bath 1991). Die Untersuchungen zeigten alle eine mehrheitlich positive Einstellung gegenüber dem Wolf und seiner Ausbreitung. Negative Statements kamen in erster Linie von Seiten der Viehhalter. Unterschiedlich waren die Einschätzungen durch die Jäger: Während diese in Michigan der Wolf-Ausbreitung grosse Sympathien entgegenbrachten (Kellert 1991) war dies in New-Brunswick nur bedingt der Fall (Lohr et al. 1996). Dort war in gewissen Gebieten die Jagd wegen Wildmangels verboten, der Wolf wird daher als Beutekonkurrent wahrgenommen. Besonders interessant sind die Befunde von Zimen (1978) in Italien: Er stellte fest, dass eine negative Einstellung gegenüber dem Wolf als "Gefahr für den Menschen" mit zunehmendem Direktbezug abnahm: Die Schafzüchter in Wolfsgebieten waren dem Wolf gegenüber sogar positiver eingestellt als Nicht-Betroffene in entfernten Gebieten. Dieses Ergebnis entspricht jenen aus den amerikanischen Studien wenig. Es ist daher nicht nur von praktischem, sondern auch von wissenschaftlichem Wert, die Situation in der Schweiz zu analysieren und zu prüfen, welche der beiden Varianten sich bestätigen wird.

Nur wenige Untersuchungen existieren über die Meinungen zum Luchs: Gernhäuser (1991) stellte fest, dass zwar die grosse Mehrheit der Bevölkerung in Bayern meint, der Luchs solle dort leben können, wo er einmal heimisch war, dass aber eine Wiederansiedlung "vor der Haustüre" nur von ca. 50% akzeptiert wird. Auch in dieser Studie kam zum Vorschein, dass direkte Betroffenheit - hier bei den Schafhaltern - die Raubtierakzeptanz reduziert. Dieses Ergebnis wird von Kvaalen (1996) aufgrund ihrer Untersuchungen in der Schweiz und in Norwegen bestätigt und mittels offener Leitfadeninterviews weiter vertieft: Ein gewichtiges Problem bei der Luchsakzeptanz scheint die unbefriedigende Bilanz von Verlustrisiko (Schafe) und Gewinnchance (Beobachtung eines Luchses) zu sein.

Zum Fuchs scheinen kaum Einstellungsstudien zu existieren. Einzig in einer Untersuchung in New Mexico wurden neben Angaben zu Fuchsbeobachtungen auch ganz wenige Einstellungsfragen gestellt. Dabei zeigte sich eine durchweg positive Beurteilung des Fuchsvorkommens im Siedlungsraum (Harrison 1993). Vorbehalte machten einzig die Geflügel- und Hasenbesitzer. Für das geplante Projekt von einem gewissen Interesse ist auch jene Studie, die einen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Stadtfüchsen und dem Quartier-, bzw. Städtetyp aufzeigt (Harris & Smith 1987). Solche Angaben können in unserer Studie für das "theoretical sampling" nützlich sein (vgl. Kap. 2.2.2).

Weiter gibt es einige Untersuchungen, in welchen die Einstellungen gegenüber verschiedenster Tiergruppen - von der Hauskatze über Wölfe bis zu Käfern - miteinander verglichen werden. Sie stammen fast ausnahmslos von einer Person: Kellert (1980, 1985). Er konnte zeigen, dass Raubtierarten wie der Wolf im Vergleich mit anderen Tierarten relativ negativ beurteilt werden (Kellert 1985). Eine positive Einstellung gegenüber diesen Tierarten lag vor allem dann vor, wenn eine affektive Zuneigung zu Tieren überhaupt und ein starker Wunsch nach Artenschutz vorhanden war. Negative Einstellungen waren besonders bei Viehhaltern auszumachen, welche auch Massnahmen der Bestandesreduktion forderten. Für unser Projekt von besonderem Interesse ist die von Kellert (1980) vorgenommene Typisierung der Einstellung gegenüber Tieren (naturalistische, ökologische, humanistische usw.). Sie wurde von Schultz (1985) in einem deutschsprachigen Kontext angewandt und auf ihre Universalität hin überprüft. Es wird sich zeigen, ob sich diese Typologie auch in unserer Untersuchung als Strukturierungsinstrument eignen wird.

Generell existieren kaum Untersuchungen, die sich mit der speziellen Situation der Raubtierausbreitung in der Stadt beschäftigen. Die vorhandenen sozialwissenschaftlichen Studien konzentrieren sich auf Herbivoren, wobei vor allem die Fütterungsaktivitäten, Kollisionen Wild-Auto usw. analysiert werden, und der Aspekt "Wild(-nis) in der Stadt" ausgeklammert bleibt (Cornicelli et al. 1993; Gilbert 1982).

Aus einer Reihe von Artikeln geht hervor, dass die öffentliche Meinung in das "Wildlife Management" einbezogen werden muss. Bath (1994) zeigt am Beispiel des Eisbären, dass - bei vorhergehender Erkundung der Laienurteile - eine akzeptanzfördernde Beeinflussung durch Wissensvermittlung möglich wäre, erprobt dies jedoch nicht. Glass et al. (1994) versuchen über die Monetarisierung der Options- und Existenzwerte von Raubtieren die öffentliche Meinung umweltökonomisch zu fassen und damit dem Management zugänglich zu machen. Von besonderem Interesse im Hinblick auf die Kontroll- und Erprobungsphase unserer Untersuchung ist die Studie von Stout et al. 1996, in welcher zur optimalen Ausrichtung von Wild-Management-Strategien drei verschiedene Verfahren des Einbezuges der öffentlichen Meinung verglichen wurden. Zwar führten alle Verfahren zu denselben Management-Vorgaben (Bestandeszahlen). Der Vorteil der aktiven Bürgerbeteiligung (in Arbeitsgruppen) gegenüber dem Vernehmlassungs- und dem Befragungsverfahren war, dass die Kenntnisse und Erfahrungen der Bürger die Managementstrategien inhaltlich und operativ beeinflussen und damit deren Qualität entscheidend verbessern konnten.

Spezifische theoretische Abhandlungen zur Raubtierakzeptanz konnten in der internationalen Literatur nicht gefunden werden. Die in der geplanten Untersuchung angestrebte theoretische Darstellung des Themas wird sich gleichwohl auf bereits Bestehendes abstützen können. So existieren vereinzelte Werke zur Akzeptanz im allgemeinen (z.B. Lucke 1995), deren Ansätze teilweise übernommen werden können. Auch aus der neueren Literatur zur Umweltbildung wird das eine oder andere Konzept einzubauen sein (z.B. Jost 1995; Kyburz-Graber et al. 1995; Zierhofer 1995; Ernste & Baumann 1995). Ein weiterer Stützpfeiler bildet voraussichtlich die Konfliktforschung. Die darüber vorhandene Literatur betrifft zwar meist andere Gesellschaftsbereiche wie z.B. die Armee (Rieger 1995). Hinzu kommt, dass die einen Arbeiten gar keinen Problembezug aufweisen und abstrakt bleiben (z.B. Weede 1986) und die anderen sich als konkrete Anleitungen zur Konfliktlösung bei spezifischen Problemen entpuppen (Claus & Wiedemann 1994; Fietkau 1994). Da jedoch jegliche Konflikte grundsätzlich ähnliche Ablaufmuster aufweisen, sind die bereits vorhandenen Konzepte für die Einordnung der Ergebnisse unserer Studie von grösstem Nutzen.

Aus der Umwelt- und Sozialpsychologie vermögen die Abhandlungen zum Mensch-Natur-Verhältnis einen geeigneten psychologischen Hintergrund zu liefern, so z.B. die eher grundsätzlichen philosophisch-programmatischen Arbeiten von Abt (1992), Böhme (1989, 1993), Schultz (1993) und Seel & Sichler (1993) oder als Beispiel einer problembezogenen Darstellung, die Analyse des Erhohlungswertes der Naturerfahrung für den Menschen (Hartig 1991).

1.4.3 Forschungsdefizite

Die eigenen Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse aus bisherigen Untersuchungen beziehen sich vornehmlich auf Probleme des Landschaftsschutzes. Die Übertragbarkeit dieser Kenntnisse auf den spezifischen Fall der Raubtierausbreitung ist fraglich und wohl nur bedingt gegeben; insbesondere, weil mit dem urbanen Raum ein Spezialfall aufgegriffen wird. Das geplante Projekt wird daher eine wichtige Forschungslücke füllen, insbesondere auch, weil der Vergleich der Ergebnisse mit jenen der bisherigen WSL-Untersuchungen aufzeigen wird, inwiefern Erkenntnisse aus der Akzeptanzforschung universal, bzw. spezifisch sind.

Obwohl zahlreiche Untersuchungen über Einstellungen zu verschiedenen Tierarten vorhanden sind, genügen sie nicht, um die hier gestellten Fragen zu beantworten. Dies nicht nur, weil die meisten Untersuchungen aus den USA mit den dort typischen räumlichen Verhältnissen (Besiedlungsdichte etc.) stammen, was eine Übertragung der Erkenntnisse erschwert. Auch vom methodischen Standpunkt aus genügen die vorhandenen Studien unseren Ansprüchen nicht: Es wurde zumeist mit standardisierten Fragebögen nach dem Anteil positiver, bzw. negativer Urteile geforscht. Wo Begründungen erkundet wurden, blieb dies einigermassen oberflächlich, d.h. an sozialstatistischen Merkmalen orientiert. Will man aber - im Hinblick auf die Gestaltung wirksamer Massnahmen der Akzeptanzförderung - das Zusammenspiel der verschiedenen Ursachen der Raubtierablehnung verstehen, müssen die Hintergründe der jeweiligen Urteile mit geeigneten Verfahren tiefergehend analysiert werden. Auch bezüglich der Erfolgskontrolle von Massnahmen der Akzeptanzförderung besteht - mit Ausnahme einer Arbeit (Stout et al. 1996) - ein Defizit, das mit dem geplanten Projekt behoben werden soll. Eine entscheidende Forschungslücke ist in Bezug auf die Problematik der Raubtiere in der Stadt auszumachen. Hier werden wir bei unseren Untersuchungen weitgehend wissenschaftliches Neuland betreten, denn es ist mehr als fraglich, ob die (teilweise bekannten) Einstellungen, welche gegenüber Raubtieren in der Wildnis dominieren, auch gegenüber dem Stadt-Raubtier Fuchs entscheidend sind.

1.5 Bedeutung des Projektes für Praxis und Forschung (vgl. Kap. 1.1, 1.3, 1.4)

Die Bedeutung für die Praxis liegt in der Notwendigkeit, die Massnahmen zur Förderung der Raubtierakzeptanz auf profunde Kenntnisse über die Einstellungen der Bevölkerung abstützen zu können. Nur so können die Massnahmen optimal gestaltet und damit die Mittel effizient eingesetzt werden. Zudem ist durch die Kenntnis allfälliger Grenzen der Akzeptanz gewährleistet, dass die schliesslich stattfindende Entwicklung auch den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. Dies wird sich langfristig positiv auf die Akzeptanz von Naturschutzbestrebungen im allgemeinen auswirken. Die im Projekt vorgesehene direkte Erprobung von Massnahmen (exemplarische Umsetzung und Kontrolle) wird die Ergebnisse der Untersuchungen der Praxis besonders leicht zugänglich machen und damit den praktischen Wert des Projektes erhöhen.

Aus wissenschaftlicher Sicht stellt die Untersuchung - insbesondere weil Agglomerationen berücksichtigt werden - eine entscheidende Erweiterung des bisherigen Kenntnisstandes über das Verhältnis des Menschen zu Raubtieren dar. Die bisherigen Studien stammen meist aus den USA. Sie können nicht ohne weiteres auf die Schweiz übertragen werden. Dies v.a. wegen der unterschiedlichen Raumnutzung, aber auch weil es sich in den USA meist um bewusste Aussetzungen von Raubtieren handelte. Zudem werden in der geplanten Untersuchung nicht nur standardisierte Erhebungstechniken, sondern auch explorative Methoden wie das offene Leitfadeninterview eingesetzt, was neue und tiefergehende Erkenntnisse über die Raubtierakzeptanz erwarten lässt. Der wesentlichste wissenschaftliche Gewinn wird aber die Untersuchung zur Akzeptanz der Raubtierausbreitung in der Stadt darstellen, weil hier ein in der sozialwissenschaftlichen Literatur bisher kaum berücksichtigter Fall aufgegriffen wird, der mit "Wildnis in der Zivilisation" umschrieben werden kann. Die Erkenntnisse aus dem Vergleich der Beurteilungen der Raubtierausbreitung in der "Wildnis" und in der "Zivilisation" werden über die Problematik der Raubtierakzeptanz hinaus von Bedeutung sein und neue Zugänge zum Naturverständnis des Menschen erschliessen.

2 Art der Durchführung

2.1 Forschungsstrategie

Da die Vorkenntnisse über das Forschungsthema nicht ausreichen, um dieses in Form einer theoretischen Abhandlung zu beschreiben, ist es vorerst nicht möglich, empirisch überprüfbare, spezifische Hypothesen zu formulieren. Es bedarf zuerst eingehender Exploration. Folgende Forschungsstrategie wird daher zur Anwendung kommen:

1. Eine induktive Phase dient der Exploration des Forschungsgegenstandes, d.h. dem Gewinn detaillierter Erkenntnisse über die Einstellungen gegenüber Raubtieren und der Akzeptanz ihrer Ausbreitung. Darauf aufbauend werden eine "Theorie der Raubtierakzeptanz" postuliert und Hypothesen generiert. Literaturstudium und explorative empirische Untersuchungen werden dabei als Werkzeuge der Theoriebildung und Hypothesengenerierung eingesetzt.

2. Die so gewonnenen theoretischen Erkenntnisse, bzw. die Hypothesen, werden in der anschliessenden deduktiven Forschungsphase überprüft.

3. Schliesslich werden die erhärteten Ergebnisse in einer Kontrollphase - wo notwendig - nochmals vertieft. Die aus den Ergebnissen hervorgehenden praktischen Folgerungen werden erprobt, indem konkrete Schritte der Akzeptanzförderung vorgeschlagen, exemplarisch umgesetzt und auf ihre Tauglichkeit hin beurteilt werden.

2.2 Induktive Phase

2.2.1 Untersuchungsgebiet und Grundgesamtheit

Weil letztlich das ganze Gebiet der Schweiz von der Raubtierausbreitung betroffen ist, bzw. sein wird, wäre prinzipiell auch das ganze Gebiet als Untersuchungsraum und dessen Bevölkerung als Grundgesamtheit zu betrachten. Da in der induktiven Phase keine abschliessenden Aussagen aufgrund repräsentativer Untersuchungen angestrebt werden, sondern die grundlegenden Zusammenhänge aufgedeckt, tiefergehend analysiert und daraus erste Hypothesen formuliert werden sollen, wird für diese Phase auf relevante Teilgebiete mit (potentiell) erhöhter Grosssraubtier-Betroffenheit fokussiert.

Als Untersuchungsgebiet eignen sich daher insbesondere Gebiete wie das Wallis (wo 1995 und 1996 Wölfe auftraten), u.U. auch der Solothurner Jura (wo Luchse leben und 1990 ein Wolf präsent war) sowie die grossen Agglomerationen, insbesondere Zürich (wo eine sehr grosse Präsenz des Fuchses auszumachen ist). In diesen Gebieten (oder noch weiteren, bzw. anderen), jedoch mit einem Schwerpunkt in Zürich, werden Befragungen von Laien und Experten, "objektiv" Betroffenen und Nicht-Betroffenen durchgeführt. Auf Zürich wird fokussiert, weil über die Konfrontation des Städters mit wildlebenden Raubtieren und über den Umgang des Menschen mit Füchsen besonders wenig wissenschaftliche Grundlagen existieren. Durch die Befragung von Experten werden u.U. auch erste Hinweise auf die Einstellungen der breiteren Schweizer Bevölkerung zu gewinnen sein. Dies, weil die Experten aufgrund ihrer Erfahrungen u.U. auch abschätzen können, welches die Einstellungen breitere Bevölkerungsschichten sind.

2.2.2 Auswahl der Befragten

In der induktiv/explorativen Phase steht weniger die Befragung einer (für die Bevölkerung des jeweiligen Gebietes) repräsentativen Auswahl von Personen im Vordergrund. Vielmehr werden Personen mit typischen (oder extremen) Positionen befragt, die das "Feld der Grundgesamtheit aufspannen" (Lamnek 1989). In unserem Fall sind beispielsweise Experten wie Jäger, Tier- und Naturschützer, aber auch Laien wie betroffene und nicht-betroffene Anwohner, insbesondere auch Kinder.

Nach dem Konzept des "theoretical samplings" (Strauss 1991) wird Erhebung und Auswertung als rollender Prozess betrachtet. Nach den ersten Interviews wird intensiv ausgewertet. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse können die Probanden gezielter gesucht und die folgenden Interviews besser geführt werden. Dieser Prozess des Wechsels von Erhebung und Auswertung wird im Prinzip so lange betrieben, bis keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten sind. Weil normalerweise bereits eine geringe Anzahl Versuchspersonen genügt, um typische Erlebnisweisen aufzudecken (Lamnek 1989), wird in dieser Projektphase mit einer Probandenzahl von ca. 30 Personen gerechnet.

Für die gezielte Suche von geeigneten Probanden - generell ein Problem bei Laienbefragungen - kann teilweise auf bereits bestehende Strukturen zurückgegriffen werden: Im Rahmen des Integrierten Fuchsprojektes wird in Zürich ein "Fuchstelephon" eingerichtet. Die dort eingegangenen Meldungen aus der Bevölkerung werden mit Name und Adresse protokolliert und können von uns eingesehen werden. Aus diesen Meldungen sollte es mit geringem Aufwand möglich sein, interessante Gesprächspartner zu rekrutieren. Einen Zugang zu relevanten Experten sollten Anfragen an die wichtigsten Interessensorganisationen erschliessen.

2.2.3 Erhebungsmethoden

Für die explorative Phase der Hypothesenbildung eignen sich quantitative Messverfahren wie standardisierte Befragungen etc. wegen ihrer mangelnden Offenheit nicht: Erfasst würde nur, was in die Antwortvorgaben der standardisierten Befragung integriert werden könnte, wogegen relevante nicht vorhergesehene Informationen verlorengingen (Atteslander 1984; Lamnek 1988; Miller & Fredericks 1994). Aus diesen Gründen werden in der induktiven Phase qualitative Erhebungsverfahren eingesetzt. Diese basieren auf den Grundprinzipien der grösstmöglichen Offenheit und Flexibilität: Jede auch unerwartete neue Information zum Untersuchungsgegenstand ist erwünscht, neue Erkenntnisse dürfen und sollen die Art und Ausrichtung der weiteren Erhebungen beeinflussen. Die qualitativen Methoden ermöglichen damit einen maximalen Gewinn von Erkenntnissen, insbesondere von kausal begründeten Zusammenhängen. Die quantitativen Aspekte dieser Erkenntnisse können jedoch höchstens ansatzweise erfasst werden. Diese Aspekte müssen als reine Hypothesen betrachtet und mit quantitativen Methoden überprüft werden (vgl. Kap. 2.3).

Da keine verwendbaren empirischen Daten vorliegen, werden Primärerhebungen durchgeführt. Dabei gelangen qualitative Interviews, Gruppendiskussionen sowie Analysen von Schulaufsätzen zur Anwendung, mit einem Schwergewicht auf den Interviews. Diese Methodentriangulation weist den Vorteil auf, dass die Ergebnisse der einzelnen Verfahren von den jeweils anderen Verfahren erweitert, relativiert und korrigiert wird. Dies gilt insbesondere auch für die hier gewählte Kombination von qualitativen (induktive und Kontroll-Phase) und quantitativen (deduktive Phase) Instrumenten.

Aus der Palette der Interviewtechniken wird das problemzentrierte Interview ausgewählt (Witzel 1985). Dieses eignet sich bei Vorhandensein von geringen Vorkenntnissen - wie es hier der Fall ist - am besten (Lamnek 1989). Bei der gewählten Technik wird das Thema des Interviews in einer Einstimmungsphase festgelegt. Zu diesem Zweck werden im geplanten Projekt ein bis zwei kurze Zeitungsausschnitte vorgelesen, welche die Raubtierausbreitung aus verschiedener Sicht darstellen. Angeleitet durch einen Gesprächsleitfaden werden in den folgenden Phasen des Interviews Einstiegsfragen gestellt, die den Befragten dazu animieren sollen, über seine Ansichten zu erzählen. Durch gezieltes Nachfragen werden detaillierte Informationen gewonnen. Trotz der Problemzentrierung wird das Prinzip der Offenheit eingehalten: Der Befragte ist der dominante Gesprächspartner und entscheidet über die Relevanz und das Gewicht der Gesprächsthemen.

Da es aufgrund der teilweise gegensätzlichen Beurteilungen der Raubtierausbreitung auch zu Konflikten kommt und ein Ziel des Projektes ist, diese Konflikte zu "lösen", wird auch ein Erhebungsverfahren eingesetzt, das seine Stärke im Aufdecken sozialer Interaktionsmuster hat: die Gruppendiskussion (Lamnek 1989). Mit - basierend auf den Interviews - gezielt ausgewählten "Kontrahenten" werden solche Gruppendiskussionen durchgeführt (max. drei). Als Einstieg in die Diskussion dient dabei ein geeigneter Medienbeitrag (SF DRS: MTW-Sendung). Die Diskussionen werden von einem ausgebildeten Moderator unter Einsatz von gesprächsgenerierenden Techniken geführt.

Die "Datenerfassung" der Interviews und Gruppendiskussionen erfolgt mittels Tonbandaufzeichnung und nachträglicher Protokollierung der Untersuchungssituation (Postskripta). Um die Tonbandprotokolle einer systematischen Inhaltsanalyse zugänglich zu machen, werden sie unter Einbezug der Postskripta transkribiert (Poland 1996).

Eine besonders wichtige Stellung nehmen die Kinder ein. Deshalb werden u.a. auch Interviews mit Teenagern durchgeführt. Um die Sicht jüngerer Kinder zu erfassen eignen sich Interviews nicht, weil hier das Setting "Befragung" aufgrund seiner zu grossen Verschiedenheit gegenüber alltäglichen Settings zu stark beeinflusst (bei Erwachsenen gleicht das Befragungsetting einer alltäglichen Diskussion). Es muss daher eine Untersuchungssituation geschaffen werden, welche alltäglichen Situationen der Kinder entspricht, was mit der Erhebung über normale Schulaufsätze gegeben ist. Es werden daher an - nach dem Konzept des "theoretical samplings" (siehe Kap. 2.2.2) - ausgewählten Schulen geeignete Lehrer gebeten, ihre Klasse einen Kurzaufsatz zum Thema Fuchs oder Wolf schreiben zu lassen. Dabei werden bewusst keine weiteren Vorgaben gemacht, um - analog den Interviews - den Kindern eine eigene Entscheidung zu ermöglichen, welche Themen sie ansprechen wollen.

2.2.4 Auswertung

Die anschliessende qualitative Inhaltsanalyse der Interviews, Gruppendiskussionen und Schulaufsätze orientiert sich an den Verfahren der Sequenzanalyse (Soeffner 1989), Objektiven Hermeneutik (Oevermann et al. 1979), Grounded Theory (Glaser & Strauss 1967) und am Ansatz von Mayring (1988).

In einer Zeile-für-Zeile-Analyse der Textdokumente werden Kategorien gebildet, welche die konkreten Aspekte der Einstellungen gegenüber der Raubtierausbreitung verallgemeinern. Der Einsatz einer eigens zu diesem Zweck konzipierten Software (NUD*IST 3.5) wird diesen Auswertungsschritt unterstützen (Richards & Richards 1994).

In der intrapersonalen Analyse (Fallrekonstruktion) werden die kategorisierten, relevanten Aussagen einer Person im Hinblick auf ihr Bedeutungspotential interpretiert und verglichen. Allfällige Widersprüche werden dabei aufgelöst oder erklärt.

In der interpersonalen Analyse werden die verschiedenen Fälle verglichen, deren Gemeinsamkeiten aufgezeigt und aufgrund der Verschiedenheiten in Cluster eingeteilt. Letztlich resultieren als Kondensat der interpersonalen Analyse sog. Idealtypen, die sich durch besonders typische - aber nicht notwendig real existierende - Merkmalskombinationen auszeichnen.

Die Cluster und Idealtypen bilden die Kernstücke einer zu generierenden "Theorie zur Beurteilung und Akzeptanz der Raubtierausbreitung".

2.3 Deduktive Phase

2.3.1 Auswahl der Befragten

Die induktiv gewonnene Theorie und die daraus abgeleiteten Hypothesen müssen entsprechend der Fragestellung auf dem Hintergrund der Bevölkerung der Schweiz überprüft werden. D.h., es ist abzuklären, ob die Cluster und Idealtypen mit den postulierten Zusammenhängen von Einstellungen und Verhalten nicht nur als Einzelfälle existieren und - weiter - welchen Anteil diese in der Schweiz einnehmen.

Die Grundgesamtheit ist also weiterhin die Bevölkerung der Schweiz. Damit schlüssige Aussagen über die Einstellungen dieser Grundgesamtheit ermöglicht werden, muss daraus eine repräsentative Stichprobe gezogen werden.

Die Stichprobenauswahl wird nach dem in der Sozialforschung üblichen Random-Quota-Verfahren erfolgen, weil dieses das vergleichsweise beste Verhältnis von (finanziellem) Aufwand und Ertrag (Datenqualität) verspricht. Die hohen Kosten einer reinen Random-Technik - die theoretisch aus statistischen Gründen angebracht wäre - gründen darin, dass die Datenqualität nur dann gewährleistet ist, wenn die Ausschöpfung der Stichprobe hoch ist (mind. 80%). Da jedoch bestimmte Gruppen relativ schwierig zu erreichen sind (z.B. junge Singles), sind viele Kontaktversuche nötig, was den Zeitaufwand pro Interview erhöht und damit die Erhebung verteuert. Im Falle einer - zwar billigeren - tieferen Ausschöpfung ist mit Stichprobenverzerrungen zu rechnen, weil vornehmlich leicht erreichbare Probanden befragt werden. Bei der Random-Quota-Technik dagegen werden die Probanden - aus einer nach dem Zufallsprinzip gezogenen Stichprobe - nach bestimmten Quoten ausgewählt, die für die Forschungsfrage relevant sind. Damit wird das Risiko grösserer, bzw. relevanter Stichprobenverzerrungen aber auch der Zeitaufwand für die Probandensuche minimiert.

Die minimal notwendige Stichprobengrösse liegt für eine (für die Schweiz) repräsentative Untersuchung bei N=1000. Dieser Wert ergibt sich aus üblichen statistischen Kenngrössen sowie aus dem Anspruch, gruppen- sowie regionsspezifische Ergebnisse vergleichen zu können (Cluster, Stadt-Land etc.).

2.3.2 Erhebungsmethoden

Damit statistische Auswertungen möglich sind, müssen quantifizierbare Daten erhoben werden (Atteslander 1984). Dies wiederum bedingt (aus Kostengründen) den Einsatz eines hochstandardisierten Fragebogens. Als Frageinstrumente dienen einfache geschlossene Fragen (mit Antwortvorgaben), Fragebatterien (Likertskalen) sowie auch semantische Differentiale (Polaritätsprofile), welche sich besonders zur Erhebung affektiver Einstellungskomponenten eignen.

Das genauere Fragebogendesign kann erst nach einem vorläufigen Abschluss der induktiven Phase und dem Vorliegen der zu überprüfenden Hypothesen entwickelt werden. Das Design hängt auch davon ab, ob eine postalische, telephonische oder persönliche Befragung durchgeführt wird. Auch diese Entscheidung kann erst gefällt werden, wenn die Hypothesen vorliegen. Grundsätzlich wird aber eine telephonische Befragung favorisiert. Sie weist gegenüber der postalischen Befragung den Vorteil der geringeren Verweigerungsquote auf, welche die Ergebnisse wesentlich beeinflussen kann (vgl. Kap. 2.3.1: Ausschöpfung). Der Vorteil der Telephoninterviews gegenüber der persönlichen Befragung ("Face-to-Face") liegt im geringeren Preis. Letztere zeichnet sich dafür durch den grossen Vorteil aus, dass die Auswahl praktikabler Befragungstechniken grösser wäre. Vor dem Start der eigentlichen Befragungskampagne wird ein Pretest mit ca. 20 Probanden durchgeführt, welcher letzte Korrekturen ermöglichen wird.

Die Feldarbeit, d.h. die telephonischen oder persönlichen Befragungen, sowie die Dateneingabe wird von einem Meinungsforschungsinsitut im Auftragsverhältnis erledigt. Dieses Vorgehen drängt sich auf, weil an der WSL die dazu notwendige Infrastruktur (CATI = Computer Aided Telephone Interviewing) und vor allem das nur befristet benötigte, spezifisch ausgebildete Personal fehlen (vgl. Kap. 4.3).

2.3.3 Auswertung

Die Auswertung der Daten erfolgt - gestützt auf verschiedene gängige Softwarepakete - mittels Verfahren der deskriptiven und schliessenden Statistik.

Anschliessend an die Auswertung folgt die Revison der induktiv gewonnen Theorie aufgrund der Erhärtung, bzw. Verwerfung der überprüften Hypothesen und den zusätzlich gewonnen Angaben bezüglich sozialstatistischer sowie regionaler Differenzierung.

2.4 Kontrollphase

Wenn die Ergebnisse aus der induktiven und der deduktiven Phase grundlegende Divergenzen aufweisen, die nicht ohne weiteres erklärt werden können, müssen diese u.U. gezielt untersucht werden. Dabei würde auf die Methodik der induktiven Phase zurückgegriffen, mit dem Unterschied, dass nur wenige, stark fokussierte Interviews geführt und die Probanden nach Möglichkeit gezielt innerhalb des bereits einmal befragten Samples gesucht würden.

Wo die Ergebnisse im Hinblick auf die Akzeptanzförderung konkrete, praktische Folgerungen zulassen, werden entsprechende Schritte bei den laufenden Akzeptanzförderungsprogrammen erprobt. Diesbezüglich bildet das Integrierte Fuchsprojekt (IFP) eine geeignete Plattform, weil das hier beschriebene Projekt darin eingebunden ist und daher sozialwissenschaftliche Inputs zum vornherein erwünscht sind. Die Erfolgskontrolle der probeweise umgesetzten Massnahmen wird erneut über qualitative Interviews mit wenigen gezielt ausgewählten Adressaten des Akzeptanzförderungsprogramms sowie auch mit den "Förderern" vorgenommen.


3 Verbreitung und Umsetzung der Resultate

Die Umsetzung erfolgt auf zwei Ebenen

Medial, konventionell, erst langfristig wirksam: Neben wissenschaftlichen Papers in internationalen Peer-Review-Zeitschriften (in Frage kommen u.a. "Environment and Behavior", "Landscape and Urban Planning", Wildlife Society Bulletin", "International Journal of Conflict Managment") werden auch Artikel in umsetzungsorientierten Zeitschriften sowie vulgarisierte Fassungen in Tageszeitungen veröffentlicht. Ausserdem werden Vorträge an internationalen wissenschaftlichen Kongressen, an praxisorientierten Tagungen sowie im Rahmen der allg. WSL-Öffentlichkeitsarbeit gehalten.

Direkt, unkonventionell, sofort und langfristig wirksam: In der Projekt-Kontrollphase werden die Ergebnisse innerhalb eines bereits bestehenden Akzeptanzförderungsprogramms exemplarisch direkt umgesetzt (z.B., indem allenfalls der verstärkte Einsatz erlebnispädagogischer Instrumente erprobt wird). Die vorerst geringe Breitenwirkung dieses Vorgehens wird - aufgrund des mit der Praxisbezogenheit verbundenen Multiplikatoreffektes - längerfristig behoben. Der direkte Praxisbezug soll auch längerfristig durch Beratungen gepflegt werden.


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